Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 21.12.2008

Attentat auf Passauer Polizeichef

Wie die NPD Stimmung gegen Mannichl machte
 
Er wurde als Schläger, Terrorist und Grabschänder verunglimpft: E-Mails von NPD-Mitgliedern belegen, wie die Rechtsaußen-Partei den Passauer Polizeichef Mannichl seit langem bekriegte. Auch die Bundesspitze der Partei hatte den Polizisten im Visier, bevor es zum Attentat auf ihn kam.

Wenn die NPD so redet, wie sie denkt, nämlich rücksichtslos gegen Mensch und Verfassung, dann schreibt sie E-Mails wie die vom 16. April 2007. "Hallo mein Vorsitzender", meldet sich an diesem Tag ein Parteimitglied aus dem bayerischen Passau bei Udo Voigt, dem Bundesvorsitzenden.


Erst erstattet der Mann Rapport, dass ein alter NPD-Kamerad in Bayreuth seine Gefängnisstrafe habe antreten müssen. Dann hetzt der Rechtsaußen: gegen das "dreckige System". Und vor allem gegen einen, der das System als oberster Polizist in Passau verteidigt: "Mannichl, der schäbige Typ", heißt es da, und "Was sind das für widerlich eklige Parasiten?"

Seit einer Woche ist Alois Mannichl bundesweit bekannt: Der Polizeichef von Passau überlebte nur knapp einen Messerangriff vor seinem Haus in der Marktgemeinde Fürstenzell. Ein Mann stach ihn angeblich mit den Worten "Viele Grüße vom nationalen Widerstand, du linkes Bullenschwein" nieder; die Polizei vermutet einen Neonazi als Täter.

Vor diesem Hintergrund rücken interne E-Mails der NPD wie die vom 16. April vergangenen Jahres nun in ein neues Licht: Schon seit Jahren hat sich die Partei mit Mannichl bekriegt, mindestens seit eineinhalb Jahren hat sich die NPD auch auf oberster Ebene, in der Berliner Zentrale, immer wieder mit ihm befasst.

Selbst wenn noch nicht endgültig feststeht, ob ein Rechtsradikaler zugestochen hat und der Täter der NPD zuzurechnen ist, ergibt sich daraus, dass die extremistische Partei zumindest eine Mitverantwortung für ein Klima trägt, in dem eine politisch motivierte Tat hätte geschehen können.

Besonders eine E-Mail belegt nun, wie aktiv sich die Parteispitze in Berlin in die Auseinandersetzungen der örtlichen NPD mit dem energisch gegen Rechts vorgehenden Polizeidirektor eingemischt hat.

Kurz nachdem sich der Passauer Parteifreund im April 2007 beim Bundesvorsitzenden Voigt gemeldet hatte, mailte ihm der Justitiar der Bundes-NPD, Frank Schwerdt, am 16. Mai 2007 zurück.

"Lieber Kamerad", beginnt das Schreiben, "wenn etwas sinnvoll gegen Euren geliebten Polizeichef Mannichl unternommen werden soll, dann muss das alles sehr präzise vorbereitet und durchgeführt werden."

Schwerdt bestreitet auf Anfrage des SPIEGEL, dass er damit einen Angriff auf Mannichl gemeint habe. Es sei damals allein um mögliche juristische Auseinandersetzungen "vor ordentlichen Gerichten" gegangen; er, Schwerdt, habe nur dazu geraten, "durch Sammlung von gerichtsverwertbaren Fakten Klagen präzise vorzubereiten und durchzuführen".

Fest steht allerdings, dass NPD-Mitglieder gegen Mannichl bei verschiedenen Gelegenheiten und über einen langen Zeitraum einen ehrverletzenden Ton anschlugen, bevor es zur Tat kam.

Nachdem Mannichl den Alt-Nazi und NPD-Mann Friedhelm Busse persönlich daran gehindert hatte, ein abgesperrtes Veranstaltungslokal zu erreichen, bezeichnete ein Passauer Duzfreund von Parteichef Voigt den Polizeichef in einer Mail an die Bundeszentrale als "demokratischen Schläger".

In einer weiteren Mail an Voigt und Schwerdt war die Rede von "Terror in Passau" – gemeint war das erfolgreiche Vorgehen Mannichls vor Gericht gegen Behauptungen, er habe den gehbehinderten Busse geschlagen.

Auch in öffentlichen Erklärungen nahm die NPD den Polizeidirektor immer wieder namentlich ins Visier.

Bundesjustitiar Schwerdt warf Mannichl vor, beim Umgang mit dem gehbehinderten Busse eine "unrühmliche Rolle" gespielt zu haben. Nachdem Mannichl bei einer NPD-Veranstaltung zum Kriegsende unter dem Motto "08. Mai – Wir feiern nicht" einen Gedenkkranz beschlagnahmen lassen wollte, sprach die Partei von einer "Unverschämtheit".

Vor allem aber empörten sich die Rechtsextremen darüber, dass Mannichl bei der Beerdigung von Busse im vergangenen Juli den NPD-Aktivisten Thomas Wulff festnahm und die Staatsanwaltschaft mit Mannichls Hilfe das Grab kurz danach wieder öffnen ließ. Wulff hatte eine Hakenkreuz-Fahne auf den Sarg gelegt; die Polizei holte sie aus dem zugeschaufelten Grab wieder heraus. Daraufhin beschimpfte Parteichef Voigt die Passauer Polizisten als "Handlanger des Systems", unterstellte ihnen "Verfolgungswahn" und bezichtigte sie der "Grabschändung".

Nach einer weiteren Auseinandersetzung bei einer städtischen Gedenkfeier am Volkstrauertag im November warf die örtliche NPD Mannichl in einer Erklärung eine "unverschämte Belästigung" ihrer Vertreter vor. Sein Auftreten sei "dreist und provokant" gewesen, vor allem aber habe sich Mannichl beim Versuch, die NPD-Männer abzudrängen, "auf eine Grabplatte gefallener Soldaten gestellt und mit seinen Schuhen auf einem Gedenkgesteck herumgetrampelt".

Eine sehr ähnliche Wortwahl hatte kurz vor der Messerattacke angeblich auch der Täter benutzt. Laut Mannichl sagte der Mann: "Du trampelst nimmer auf den Gräbern unserer Kameraden herum."

Die NPD hat gleichwohl jede Mitverantwortung für die Tat zurückgewiesen. Der Parteivorsitzende Voigt teilte in einer Stellungnahme mit, der "hinterhältige Anschlag auf den Vater von zwei Kindern" werde "schärfstens missbilligt".

Gleichzeitig wies Voigt dem Attentatsopfer aber eine Mitverantwortung für den Anschlag zu und schürte so erneut den Hass der Rechtsextremen auf Mannichl. Mannichl sei selbst "mit seinen Mitteln nie zimperlich" gewesen und habe "sein Amt wiederholt missbraucht".

Von Jürgen Dahlkamp, Gunther Latsch,
Sven Röbel und Andreas Wassermann

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