Freie Presse Chemnitz, 03.01.2009
„Nicht das kleine Sachsen, sondern Europa ist gefragt"
CDU-Fraktionschef Flath zu Rettungsversuchen für Qimonda -„Zuwenig Druck gemacht"
Dresden. Gegenwind auf der Zielgeraden: Einflussreiche Kreise in der CDU-Fraktion wollen das Rettungspaket des Freistaates für das schwer angeschlagene Chipunternehmen Qimonda nicht ohne parlamentarische Mitwirkung absegnen. In Sondersitzungen beschäftigen sich am kommenden Dienstag die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD mit den Plänen der Regierung, sich mit 150 Millionen Euro an der Vermeidung der drohenden Insolvenz zu beteiligen. CDU-Fraktionschef Steffen Flath äußerte im Gespräch mit Hubert Kemper seine Skepsis.
Freie Presse: Wollen Sie Ihrer Regierung bei der Qimonda-Rettung in die Paradefahren?
Steffen Flath: Nein. Aber wenn Steuergelder in dreistelliger Millionen-Höhe zur Rettung eines Privatunternehmens gesteckt werden sollen, muss auch das Parlament informiert werden. Deswegen haben wir den Wirtschafts- und Finanzminister in die Fraktion gebeten.
Freie Presse: Als aus stillen Reserven des Landes die Eigenkapitaldecke der Sachsen-LB um 300 Millionen Euro gestärkt werden sollte, waren sie nicht so pingelig.
Flath: Auch damals habe ich kritische Vergleiche gezogen. Doch der Unterschied zu Qimonda ist gravierend: Die Landesbank war zu jener Zeit ein gesundes Unternehmen mit einem nahezu verkaufsreifen Vertrag an die West-LB.
Freie Presse: Das Vertrauen für ein Qimonda-Überleben ist nicht so ausgeprägt?
Flath: Das Unternehmen produziert monatlich rund 150 Millionen Euro Verlust. Unsere Verantwortung gebietet es, dass wir nicht einen nur vorübergehenden Verlustausgleich zahlen. Ein Engagement des Freistaates ist lediglich vertretbar, wenn damit das Überleben von Qimonda mittelfristig gesichert werden kann. Daran muss sich aber in überzeugender Weise der Mutterkonzern Infineon beteiligen.
Freie Presse: Gibt es daran Zweifel?
Flath: Nach meinem Kenntnisstand hat Infineon wenig Zuversicht in die Zukunft seiner eigenen Tochter verbreitet und mit Hinweis auf die Arbeitsplätze die unternehmerische Verantwortung der öffentliehen Hand übertragen wollen. Wir müssen nun auf der Hut sein, dass wir nicht nur das Sterben einer Firma verlängern, die in den Sog eines globalen Preisverfalls geraten
ist.
Freie Presse: Das klingt, als hätten Sie sich bereits mit dem Verlust eines der beiden Aushängeschilder der sächsischen Hochtechnologie abgefunden?
Flath: Nein, ganz und gar nicht. Es geht nur um das Prozedere und auch um unsere Verantwortung gegenüber den kleinen und mittelständischen Firmen, die im Gegensatz zu Qimonda in den Sog der internationalen Finanzkrise geraten sind. Können wir die fallen lassen, weil wir nur dann reagieren, wenn der Druck hoher Beschäftigtenzahlen uns zum Nachgeben zwingt?
Freie Presse: Es geht aber nicht allein um die Arbeitsplätze bei Qimonda, sondern um zigtausende bei Zulieferern und um die Vernetzung mit den Forschungseinrichtungen.
Flath: Richtig. Deswegen ringen wir ja um eine Lösung. Qimonda ist ein Leuchtturm und Dresden ist der einzig verbliebene Mikroelektronik-Standort in Europa. Können wir tatenlos zusehen, wie diese Industrie bei uns komplett wegbricht, während Asien mit Subventionen auf eine Marktbereinigung und wieder kostendeckende Chip-Preise wartet?
Freie Presse: Die Frage geht an Sie: Verlegen Sie die Verhandlungsebene von Dresden nach Brüssel?
Flath: Ja, dort müssen die Weichen gestellt werden. Nicht das kleine Sachsen, sondern das mächtige Europa ist gefragt. Qimonda hat einen Standort in Portugal, aus Portugal kommt auch der Kommissionsprä sident Baroso. Die Europäische Union ist nun gefordert, mit ihren Förderrichtlinien die Flexibilität zu zeigen, die auch Asien und die USA an den Tab legen.
Freie Presse: Hat Sachsen die Rettungsaufgabe allein schultern wollen?
Flath: Vielleicht haben wir bisher über Berlin zu wenig Druck auf Brüssel gemacht und vergessen, dass mit Günter Verheugen der für Industriepolitik zuständige Kommissar auch ein engagierter Deutscher ist.