Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 03.12.2008

DDR-Geschichte für CDU-Parteitag kein großes Thema

Weihrauchattacken: Die Partei hat Großartiges geleistet – nur unter der Diktatur durfte man das im Osten ja nicht
 
Die Ost-CDU war eine Blockpartei und Blockparteien waren keine Oppositionsparteien. So lässt sich die aktuelle Auseinandersetzung der CDU mit ihrer DDR-Vergangenheit zusammenfassen.

Einstimmig beschlossen die Delegierten des Bundesparteitages in Stuttgart den Antrag des Bundesvorstands »Geteilt. Vereint. Gemeinsam. Perspektiven für den Osten Deutschlands.« Der hatte in seiner ursprünglichen Fassung die Ost-CDU gar nicht erwähnt. Nachdem das zu öffentlicher Kritik geführt hatte, wurde ein Passus eingefügt, der einräumte, Blockparteien seien systemstabilisierend gewesen. Weil es im Vorfeld diese Auseinandersetzung gegeben hatte und weil der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle vor Kurzem die Affäre Tillich ausgelöst hatte (die Rolle des Dresdner Regierungschefs Tillichs als DDR-CDU-Mitglied im Rat des Kreises Kamenz ist umstritten), wurde die Debatte über den Antrag mit einer gewissen Spannung erwartet.

Die Partei allerdings erfüllte vor allem die Erwartung der Parteiführung, Ruhe zu halten. Gerade mal eine starke halbe Stunde dauerte die Behandlung des 91 Seiten umfassenden Antrages. Vielleicht auch, weil die Delegierten das schöne Gefühl, der besten Partei Deutschlands anzugehören, nicht trüben lassen wollten: Vor der Debatte führte die Parteitagsregie einen kurzen, emotionsgeladenen Film vor. Unter dem Titel »60 Jahre Bundesrepublik – 20 Jahre friedliche Revolution« erfuhren die Zuschauer zu pompöser Musik, dass es fünf Bundeskanzler in der BRD gegeben habe: Adenauer, Erhard, Kiesinger, Kohl und Merkel. Die hätten das Land zu Wohlstand, Friede und Einheit geführt. Der Film kam gut an.

Jedenfalls bei denen, die noch da waren. Denn kurz vor dieser letzten Antragsberatung hatten sich gegen Mittag schon viele heimwärts begeben. Große Lücken klafften in den Reihen Thüringens und Sachsens, Sachsen-Anhalts Stühle gar waren komplett leer.

Bundesvorstandsmitglied Dagmar Schipanski betonte in ihrer Vorstellung des Antrages, die Wiedervereinigung sei das Wunder ihres Lebens gewesen und führte aus, dass der Niedergang der DDR nicht nur den Demonstrationen geschuldet war. Durch die katastrophale Wirtschaftspolitik habe »die SED-Führung das Land in den Zusammenbruch geführt«. Seit der Wiedervereinigung, die vor allem Helmut Kohl zu verdanken sei, hätten die Menschen in West und vor allem in Ost Großartiges geleistet. Heute gibt es im Osten ein hochmodernes Telekommunikationsnetz, gute Straßen, der Mittelstand sei wieder aufgebaut worden. Schipanski: »Wir haben wirklich blühende Landschaften errichtet in den letzten Jahren.« Die Arbeitslosigkeit sei noch zu hoch, aber dagegen gehe die CDU ja vor, nicht zuletzt mit dem zur Abstimmung stehenden Antrag, in dem bekräftigt wird, dass im Rahmen des Solidarpaktes II bis 2013 noch Milliarden in die Infrastruktur fließen sollen. Daran knüpfte sie ihre Kritik der LINKEN, die »die Arbeitslosigkeit skrupellos ausnutzt«. Die Präsidentin des Thüringer Landtages, die in der DDR und in der Sowjetunion studiert hat, kritisierte, dass heutzutage »zu viele sich nur noch an scheinbare Sicherheit« in der DDR erinnerten: »Demenz ist eine schlimme Krankheit für den Einzelnen, noch schlimmer ist sie für ein ganzes Volk.«

Die Angriffe gegen die CDU wegen ihrer Blockpartei-Vergangenheit hält Schipanski für Taktik. Dabei würde die Rolle von Parteien in einer Diktatur und einer Demokratie gleichgesetzt und das sei falsch: »Die LINKE will ein Geschichtsbild produzieren, aus dem sie gereinigt wie Phönix aus der Asche emporsteigt.«

Für Fritz Niedergesäß, dem einzigen Diskutanten, der sich allgemein zum Antrag äußerte, ging die Macht in der DDR »einzig von der SED aus, die Parteien dahinter waren nur Klitterei«. Der Vorsitzende des Kreisverbandes Treptow-Köpenick ist 1983 in die Block-CDU eingetreten, wirklich zu sagen habe man dort nichts gehabt und »wir lassen uns für den Schleuderladen DDR nicht verantwortlich machen«.

Ein Antrag aus Nordrhein-Westfallen, nicht nur in Leipzig, sondern auch in Bonn ein »Freiheits- und Einheitsdenkmal« aufzustellen, wurde abgelehnt und das war's an Debatte. Für die CDU ist nun klar, dass sie sich genügend mit ihrer DDR-Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Wenn sie nach der nächsten Bundestagswahl darf, wie sie will, will sie für einen »Lehrstuhl für die Aufarbeitung des DDR-Unrechtsregimes« an einer Berliner Universität eintreten, Denkmäler bauen, Kombi-Lohnmodelle und Bürgerarbeit fördern. Bis 2013 werden und müssen, so die CDU, die neuen Länder wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen. Förderungen über dieses Jahr hinaus sollen dann auch strukturschwachen Ländern im Westen zugute kommen.
Von Barbara Martin, Stuttgart

Karl Nolle im Webseitentest
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