DNN/LVZ, 26.01.2009
Das merkwürdige Auftauchen zweier Geheimdokumente
Brisante Papiere aus Panzerschrank des Landtags kursieren in Dresden
Dresden. Einen Tag vor dem Auftritt der ehemaligen Chefin des Referats Organisierte Kriminalität (OK) beim Verfassungsschutz, Simone Henneck, im U-Ausschuss kursieren in Dresden zwei Geheimdokumente aus den Archiven des Nachrichtendienstes. Dabei handelt es sich um ein 16-seitiges Dossier zu möglichen Leipziger OK-Netzwerken samt umfangreichem Anhang sowie um 24 Blatt, die sich um vermeintliche Verbindungen der Immobilien- und Rotlichtszene zur Politik drehen – ebenfalls mit Anhang.
Die beiden Dokumente, die dieser Zeitung vorliegen, stammen von Henneck und wurden im Mai sowie Anfang Juni 2007 an die Generalstaatsanwaltschaft geschickt. Zum Teil sind sie als „Vertrauliche Verschlusssache“ gekennzeichnet. Brisant ist dies, weil in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass zwei Geheimdokumente aus dem Panzerschrank des Landtags verschwunden sind. Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei den beiden Dossiers um genau diese Papiere, die von Insidern jetzt anonym gestreut werden.
Dabei ist der Inhalt der Papiere nicht neu. Es handelt sich lediglich um eine ausführlichere Version altbekannter, unbelegter Vorwürfe. Interessant ist allerdings das beigefügte Anschreiben des zu jener Zeit amtierenden Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Olaf Vahrenhold, an den damaligen Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm. In dem Schriftsatz vom 25. Mai 2007 lässt Vahrenhold keinen Zweifel an der Relevanz der übersandten Dokumente aufkommen. „Ich gebe der Hoffnung Ausdruck“, schreibt der Geheimdienst-Chef an Schwalm, „dass aus dem Material Ansätze für weitere Ermittlungen gewonnen werden können.“
Gleichzeitig verweist Vahrenhold den Generalstaatsanwalt an Henneck. Diese stehe „als fachliche Ansprechpartnerin“ zur Verfügung. Das ist beachtlich, da Henneck nur wenige Wochen später von Verfassungsschutz und Innenressort öffentlich demontiert wurde. Nach der neuen Version, die der Präsident des Landesamts, Reinhard Boos, sowie der damalige Staatssekretär Klaus Fleischmann dann präsentierten, soll die Ex-Referatsleiterin fachlich unsauber gearbeitet und elementare Geheimdienstregeln verletzt haben.
In dem jetzt aufgetauchten Anschreiben ist davon keine Rede. Im Gegenteil, Vahrenhold geht noch einen Schritt weiter: „Bereits jetzt kann ich Ihnen anbieten, dass Frau Henneck in möglichen Ermittlungs- und Strafverfahren als Zeugin dienen kann“, schreibt er an Schwalm. Auf diesen Widerspruch hatte der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle bereits bei der Vernehmung von Vahrenhold im Untersuchungsausschuss vor wenigen Wochen hingewiesen.
Neben Henneck soll nach offizieller Lesart der Regierung auch der ehemalige OK-Ermittler bei der Leipziger Polizei, Georg Wehling, Drahtzieher der Affäre gewesen sein. Dieser Version hatte nicht nur Wehling selbst Mitte Dezember vergangenen Jahres im U-Ausschuss widersprochen, sondern mit Christoph Hindinger auch ein ehemaliger Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes.
Hindinger sagte damals, das OK-Referat unter Henneck sei keinesfalls aus dem Ruder gelaufen. Es habe zumeist ernsthaft gearbeitet, regelmäßig den Präsidenten unterrichtet und sich nicht verselbstständigt. Lediglich in den letzten Wochen vor seiner Auflösung 2006 habe es einige „Unschärfen“ gegeben. Genau diese muss Henneck heute erklären.
Jürgen Kochinke