DNN/LVZ, 28.01.2009
Aktenaffäre: Geschliffener Auftritt eines OK-Ermittlers
Dresden. Nächste Runde im Vernehmungsmarathon zur Aktenaffäre: War es am Montag noch die Ex-Chefin des Referats Organisierte Kriminalität (OK) beim Verfassungsschutz, Simone Henneck, die vor dem U-Ausschuss aussagte, so folgte gestern der Auftritt des leitenden OK-Ermittlers bei der Leipziger Polizei, Martin Keetman. Referierte Henneck noch vier Stunden lang, so brauchte Keetman vier Minuten. Danach begann die Fragerunde.
Die aber war präzise und geschliffen wie selten. Hauptergebnis: Der 42-Jährige firmierte beim Verfassungsschutz als eine Art halboffizielle Quelle von Amts wegen, hatte von 2004 bis 2006 regelmäßig Kontakte mit den Geheimen – zwischen 20 und 30 Mal, meist in Cafés. Dass Hennecks Referat nach diesen Gesprächen aber Aktenvermerke, sogenannte Treffberichte, anfertigte, sei ohne sein Wissen geschehen, sagte der Polizist. Hätte er gewusst, dass er als Geheimquelle geführt worden sei, hätte er sich verweigert.
Laut Keetman ging es dem Geheimdienst um drei Bereiche in Leipzig: russische OK, italienische Mafia und Abseits III. Letzteres dreht sich um vermeintliche Verwicklungen von Justizbeamten mit dem Rotlichtmilieu. Hier gibt es nach Aussage von Keetman keine hinreichenden Anzeichen für kriminelle Netzwerke. Die vom Verfassungsschutz gesammelten Vorwürfe seien nicht gerichtsfest, gerade im Bereich verdeckter Ermittlungen komme man oft über Halbwahrheiten nicht hinaus.
Trotz dieser kritischen Hinweise wollte Keetman die Arbeit der Henneck-Truppe nicht komplett verwerfen: „Nach wie vor tue ich mich schwer mit der Behauptung, das waren Spinner.“ Gleichzeitig äußerte er Zweifel am Aufklärungswillen staatlicher Stellen. Dabei griff er nach Angaben aus Ausschusskreisen die Staatsanwaltschaft Dresden direkt an. Diese habe die angebotene Übergabe eines angeblich belastenden Videos nicht konsequent betrieben. Sie habe es beschlagnahmen und nicht nur einsehen wollen. Damit seien ein Deal und die Chance zur Strafverfolgung geplatzt.
Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte im April 2008 die Vorwürfe in Abseits III für substanzlos erklärt und dem Verfassungsschutz „Verschwörungstheorie“ vorgeworfen. Im Gegenzug leitete sie ein Verfahren gegen Ex-Prostituierte aus dem Kinderbordell Jasmin ein, die mehrere hohe Juristen als Kunden wiedererkannt haben wollen. Für Keetman ist das nicht schlüssig. „Wenn man mehr Zeit und Mut gehabt hätte, wäre man möglicherweise fündig geworden.“ Er halte es nicht für mutig, „auf den Schwächsten herumzuhacken“ – also auf den Opfern aus dem Jasmin.
Gleichzeitig wurde gestern bekannt, dass die Vernehmung von Henneck ein parlamentarisches Nachspiel hat. So will der U-Ausschuss den Vizechef beim Verfassungsschutz Olaf Vahrenhold erneut vernehmen. Jürgen Kochinke