DNN/LVZ, 26.02.2009
Aktenaffäre: Bizarrer Auftritt eines hohen Staatsbeamten
Ex-Referatsleiter im Innenministerium kann sich an wenig Konkretes erinnern / Unfreiwilliger Beleg für mangelnde Kontrolle im Ressort
Dresden. Der wichtigste Zeuge hatte vorsorglich abgesagt. Im Mittelpunkt des U-Ausschusses zur Aktenaffäre gestern sollte der ehemalige Chef des sächsischen Verfassungsschutzes stehen – eigentlich. Der heißt Rainer Stock, führte das Amt während der Ermittlungen zur Organisierten Kriminalität (OK) und wurde Mitte 2007 aus dem Rennen genommen, als erstes „Opfer“ der Affäre gewissermaßen. Interessant ist Stock, weil er stets hinter den OK-Ermittlungen gestanden und der ehemaligen Referatsleiterin Simone Henneck im September 2006 sogar eine Leistungsprämie in Höhe von 2383,25 Euro gewährt hat – wegen „über das normale Dienstgeschäft weit hinausgehender Einsatzbereitschaft“.
Doch Stock erschien nicht, aus Krankheitsgründen, wie die offizielle Lesart lautete. Dafür hatte ein anderer einen unfreiwillig-bizarren Auftritt. Stundenlang musste der ehemalige Referatsleiter Harald Pieckert Rede und Antwort stehen, und was der Führungsbeamte aus dem Innenressort zu bieten hatte, lässt sich nur so zusammenfassen: Von Kontrolle des Verfassungsschutzes konnte im dafür zuständigen Referat offenbar keine Rede sein.
So war Pieckert weder in der Lage aufzuzeigen, wer wann welche Form der Aufsicht wahrgenommen hat, noch war er imstande, einfachste Fragen zu beantworten – wie die, ob er selbst Kontakt zu Henneck hatte. Dafür bot Pieckert stets dieselbe Verrenkung in unterschiedlichen Varianten: Mal war ihm Konkretes „nicht erinnerlich“, dann bat er um Verständnis, dass er Details „nicht mehr aufrufen kann“.
Doch immerhin – zu ein, zwei marginalen Aussagen ließ sich der so in die Enge Getriebene dann doch hinreißen. Erstens: Henneck hatte die Rückendeckung des Präsidenten Rainer Stock. Zweitens: Bis zum Frühjahr 2005 sei nicht erkennbar gewesen, dass im Referat „etwas aus dem Ruder läuft“. Dabei ist die erste Aussage bekannt; die zweite steht zwar in Widerspruch zur regierungsamtlichen Version, ist aber erklärbar: Pieckert war nur bis Mitte Mai 2005 für den Verfassungsschutz zuständig. Hätte er behauptet, das OK-Referat habe unsauber gearbeitet, hätte er sich selbst belastet. Und für den Rest half ja der Verweis auf seine „Erinnerungsprobleme“.
Die Opposition quittierte das mit beißendem Spott. „Die Staatsregierung verfährt offenbar frei nach der Devise der Omertà“, sagte der FDP-Mann Jürgen Martens – ein böser Hinweis auf das Schweigegelübde der italienischen Mafia. Johannes Lichdi von den Grünen sprach gestern von „naivem Vertrauen“ in die Arbeit der Verfassungsschützer. ü