Sächsische Zeitung, 28.03.2009
„Tillich gibt den Staatsmann,und seine CDU irrt umher“
Antje Hermenau, Chefin der Grünen im Landtag, zu Landesbank, Ost-Biografien und künftigen Koalitionen.
Frau Hermenau, Sachsens CDU glänzt in Umfragen, gleichzeitig wirft der Rechnungshof der CDU-geführten Regierung grobe Fehler bei der Landesbank vor. Wie passt das zusammen?
Wer liest heute noch Berichte wie den des Rechnungshofes zum Notverkauf der Landesbank? Wenn der tatsächlich eine breite Öffentlichkeit erreichen würde, dürfte sich das Stimmungsbild sofort ändern.
Aus Regierungssicht ist die Fast-Pleite der Landesbank mit der Übernahme einer Milliarden-Bürgschaft ausgestanden?
Das hätten die gern. Das dicke Ende kommt noch. Die großen Ausfälle drohen nach Ablauf der Verträge in neun Jahren. Dann weiß aber keiner mehr, wer dafür die Verantwortung trägt. Also muss jetzt Rechenschaft verlangt werden. Der Rechnungshof legt das Versagen der Verantwortlichen offen. Dabei spitzt sich alles auf die Frage zu: Kann jemand haftbar gemacht werden?
Seit 2008 hat die CDU mit Stanislaw Tillich und Steffen Flath neue Chefs in Regierung und Fraktion — Ihr Fazit?
Es fällt auf, dass beide regieren und nicht nur einer. Im Kern ist das demokratisch. In der Praxis wirkt aber vieles zufällig und undurchdacht. Nur eine Sache scheint zu klappen: Tillich gibt den tadellosen Staatsmann – inklusive dem richtigen Anzug und stets wohl abgewogenen Worten – um das durch Amtsvorgänger Milbradt ramponierte Image der CDU aufzupolieren. Flath muss dagegen in den eigenen Reihen immer öfter den Ausputzer spielen.
Wie meinen Sie das?
Es fällt doch auf, dass die sächsische Union mittlerweile orientierungslos ist. So wie sie 20 Jahre den Aufbau Ost betrieben hat, stößt sie an Grenzen und weiß nicht mehr weiter. Es gibt deshalb längst mindestens drei, vier Grüppchen, um die Herr Flath ständig wie ein Schäferhund patroullieren muss, damit ihm nicht die ganze Herde ausbüxt.
Mit Tillich kann die CDU aber punkten? Er ging sogar aus der Debatte um seinen DDR-Kaderposten gestärkt hervor.
Die Bürger haben heute viel zu viele irdische Probleme, um aufzuklären, was vor 20 Jahren in der Biografie eines Menschens passiert ist. Unabhängig davon hat Tillich aber auch den Durchschnitts-DDR-Bürger abgeholt, mit dem, was er bis 1989 gemacht hat. Damals gab es eben ganz wenige Kämpfer. Auch ich würde nie behaupten, 24 Stunden am Tag gekämpft zu haben. Auch mein Widerstand war dosiert.
Aber selbst das kann heute nicht jeder vorweisen?
Man merkt zumindest, dass dies Tillich auch peinlich ist. Die ersten Tage herrschte Ratlosigkeit in der Staatskanzlei. Der Grund liegt auf der Hand: Die CDU hat stets einen ideologisierten Grabenwahlkampf gegen die Linke geführt und moralisch den Zeigefinger gehoben. Dabei ist sie jetzt mit Tillich auf die Nase gefallen. Rote-Socken-Kampagnen reichen nun nicht mehr, um gewählt zu werden. Das ist vorbei.
Stichwort Landtagswahl: Die Grünen hoffen auf sieben Prozent plus x. Liebäugeln Sie auch schon mit einem rot-rot-grünen Machtwechsel?
Wir brauchen weder Ministerbüros noch Dienstwagen. Für uns steht nur eine Frage: Mit wem können wir unsere Ziele wie den Strukturwandel hin zu erneuerbaren Energien umsetzen? Dabei ist dann egal, ob mit den Linken oder der CDU. Aber wenn die Inhalte nicht stimmen, bleiben wir in der Opposition.
Das Gespräch führte Gunnar Saft.