Freie Presse, 08.04.2009
Ministerpräsident Tillich denkt über ein Leben ohne Politik nach
Sachsens Regierungschef wird Karfreitag 50 Jahre alt — In einem Interview lässt er die Zeit nach der nächsten Amtsperiode 2014 offen — Politische Gegner nehmen den Ball auf
Chemnitz/Dresden. Sollte der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) etwa nach einem Jahr schon so etwas wie leichte Amtsmüdigkeit verspüren? In einem gestern vorab veröffentlichten Interview der Zeitschrift „Super Illu" erwägt er zumindest, sich mittelfristig aus der Politik zurückzuziehen. „Ich habe mir vorgenommen, mein berufliches Leben nicht in der Politik zu beenden, sondern noch einmal etwas Neues zu versuchen", sagte der sächsische Regierungschef, der am Karfreitag 5o Jahre alt wird. Er wolle nicht mit den Füßen zuerst aus der Staatskanzlei herausgetragen werden.
Möglicher Zeitpunkt für den Ausstieg könnte demnach das Ende der nächsten Legislaturperiode in fünf Jahren sein. „Ich sehe zunächst die Landtagswahl am 30. August, die ich gewinnen will, um fünf Jahre gute Arbeit für Sachsen zu leisten", sagte Tillich dem Blatt zufolge. „Und dann sehen wir malweiter."
Tillich trat im Frühjahr 2008 die Nachfolge des CDU-Politikers Georg Milbradt an. Tillich war zuletzt wegen seiner DDR-Vergangenheit in die Schlagzeilen geraten. Dabei ging es um eine Führungsfunktion auf Kreisebene, die er mit Mandat der CDU-Blockpartei übernommen hatte. „Das würde ich heute nicht mehr so tun", erklärte Tillich.
„Unseriös und falsch"
Für den Generalsekretär der sächsischen CDU Michael Kretschmer ist das entsprechende Zitat Tillichs über seine Zukunft „völlig aus dem Zusammenhang gerissen". Kretschmer: „So etwas ist einfach unseriös. Der Ministerpräsident hat in dem Interview gesagt, dass er das Amt gerne ausfüllt und es mit großer Freude macht. Er wird demnächst 5o Jahre alt. Deswegen sagte er, es wird auch für ihn ein Leben nach der Politik geben. Daraus aber zu interpretieren, er wolle in den nächsten Jahren über seinen Rückzug aus der Politik nachdenken, ist böswillig falsch."
Die politische Gegenseite nahm den Ball, den Tillich wohl ungewollt zugespielt hatte, gern auf: Der streitbare SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle sagte kurz und knapp: „Wer Wahlen gewinnen will, der muss mit ganzem Herzen dabei sein. Die unbeantworteten Fragen zu Tillichs Biografie stellen offensichtlich vieles infrage."
Andre Hahn, Fraktionschef der Linken, erklärte: „Offenbar hat Herr Tillich keinen langen Atem für die Gestaltung des Landes."
Geborgte Macht auf Zeit
Die sächsische Grünen-Chefin Antje Hermenau hat hingegen Verständnis für Tillich: „Ich denke auch, man ist gut beraten, sich nicht die Politik als einzige Karriereplanung auszusuchen. Es ist immer nur geborgte Macht auf Zeit." Hermenau schätzt Tillichs Unabhängigkeit daher eher positiv ein. „Ich stelle mir die Frage auch alle fünf Jahre." Angesichts der Erfahrungen mit Biedenkopf und Milbradt sei es wohl innerhalb der sächsische Union eher eine vertrauensbildende Maßnahme, um der CDU die Sorge zu nehmen, Tillich wolle zu lange am Amt kleben.
Der Dresdner Politikprofessor Werner Patzelt hielt die Äußerungen Tillichs für eine „fahrlässige Unbedachtsamkeit, die im besten Fall folgenlos bleibt". „Schlimmstenfalls aber hat es die gleiche Dimension von Folgen wie Kurt Biedenkopfs Äußerungen am Wahlabend seines grandiosen Sieges bei den Landtagswahlen 1999. Damals erklärte er, das sei seine letzte Amtsperiode sei. Es dauerte nicht lange, dann begann die leidige Nachfolgediskussion", sagte Patzelt. (mit ap)
VON STEPHAN LORENZ