Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 22.05.2009

"Tillich kündigt Friedenspflicht"

SPD-Wissenschaftsministerin Stange zur Koalition und dem angespannten Verhältnis zur CDU
 
Dresden. Bisher hat sich Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) mit Attacken auf den Koalitionspartner CDU auffällig zurückgehalten. Jetzt geht sie in die Offensive. Der Wahlkampf sei eröffnet, sagt Stange, Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) persönlich habe „die Friedenspflicht aufgekündigt".

Frage: In Sachsen hat der Kampf um die beste Startposition zur Landtagswahl begonnen. Nur bei Ihnen hat man den Eindruck, Sie wollten das Koalitionsfähnlein am liebsten weiter hoch halten. Fürchten Sie die politische Auseinandersetzung?

Eva-Maria Stange: Natürlich nicht. Zwar stehe ich erst einmal für Sacharbeit, und mir wäre es in der Tat lieber gewesen, wenn wir bis zum Ende der Legislatur vernünftig zusammen gearbeitet hätten. Aber der Vorsitzende der CDU hat mit seinem Auftreten beim Landesparteitag am vergangenen Wochenende eine neue Phase eingeleitet. Und das heißt, dass auch ich mich von jetzt an offensiver einmischen werde.

Hat Sie Tillichs Frontalangriff überrascht?

Er hat mich überrascht und geärgert. Denn es handelt sich um einen persönlichen Angriff auf die SPD-Minister. Das ist weder sachlich angemessen noch vom Ton her akzeptabel. Zwei Punkte irritieren mich hier besonders: Die CDU tut so, als wäre der Aufbau des Landes allein ihr Verdienst. Dabei ist doch klar, dass wir in Sachsen unter anderem auch auf die Unterstützung der Westländer durch Soli-Gelder angewiesen sind. Dazu aber finde ich bei Herrn Tillich kein Wort. Zweitens gibt es einen gravierenden Mangel an Selbstkritik in der Union. Die CDU verschweigt lieber die eigenen Misserfolge, die Sachsen LB und die Verfassungsschutzaffäre zum Beispiel. Und sie vergisst, dass sie im Laufe der Legislatur einen Finanzminister und einen Ministerpräsidenten hat wechseln müssen.

Dafür hat Tillich gesagt, Ihr Parteichef Thomas Jurk habe keine Ahnung von Wirtschaft ...

Das ist genau der Punkt. Herr Tillich hat mit dieser Aussage die Friedenspflicht aufgekündigt, und ich hätte mir an dieser Stelle auch klarere Widerworte gewünscht. Denn das ist billige Polemik. Mit fällt derzeit keiner in der CDU ein, der es beim Thema Wirtschaftskompetenz mit Thomas Jurk aufnehmen könnte.

Ist die SPD zu brav?

Wir sind stark an der Sacharbeit orientiert. Wir wollten unter Beweis stellen, dass wir regierungsfähig sind, und das ist uns auch gelungen. Wir haben uns an vielen Punkten durchgesetzt, zuletzt bei der Studiengebührenfreiheit. Den kostenfreien Museumsbesuch für die unter 16-Jährigen haben wir in unserer Museumskonzeption festgeschrieben, leider war der bisher mit dem Koalitionspartner CDU nicht umzusetzen. Dass die CDU nun dort draufspringt und alte SPD-Forderungen als die eigenen verkauft, werden wir nicht länger hinnehmen.

Wenn der Wähler es zulässt und Sie weiter mitregieren dürfen: Werden Sie sich für ein zentrales Bildungsressort einsetzen?

Das ist zwingend notwendig, denn es geht um die komplette Bildungsbiografie eines Menschen. Und diese fängt bei den Kitas an, geht über Schule und Hochschule bis hin zur Weiterbildung. Eben das muss abgebildet werden durch Strukturen, die ineinandergreifen und sich nicht an Ressortgrenzen reiben. Deshalb halte ich ein Bildungsministerium für zwingend.

Zurück zur SPD: Harte Worte gibt es derzeit fast nur von Karl Nolle. Übertreibt er, oder ist der Blick auf ihn übertrieben?

Ich finde es vollkommen richtig, dass es Menschen in einer Partei gibt, die unbequem sind und den Finger in die Wunde legen. Ob es immer der richtige Ton ist, den Karl Nolle wählt, darüber kann man streiten. Aber wenn es solche Menschen nicht gäbe, wären wir heute nicht 20 Jahre nach der Wende. Das muss die Gesellschaft ertragen - auch eine Regierungspartei wie die CDU.

Zuweilen scheint es, dass die CDU auch wegen Nolle die Nase voll hat vorn kleinen Partner SPD ...

Dann ist sie einfach nur schwach.

Was halten Sie vorn Liebäugeln der CDU Richtung Liberale?

Die Liberalen in Sachsen haben überhaupt kein klares Profil, sie sind wie Chamäleons. Und das Schlimmste ist: Mitten in einer Finanzkrise, die
durch die Liberalisierung der Gesellschaft hervorgerufen wurde,will die FPD das weiter unkritisch vorantreiben. Das ist eine Katastrophe.

Verspüren Sie Lust auf die Linke?

Nein, denn sie neigt immer stärker zu Populismus. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man mit so jemandem klare Positionen entwickeln sollte.

Wird es einen linken Regierungschef Andrè Hahn mit Unterstützung der SPD geben?

Aus meiner Sicht nicht.

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Interview: Jürgen Kochinke

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: