Dresdner Morgenpost, 02.07.2009
Flucht nach vorne
Kommentar von Gerhard Jakob
Stanislaw Tillich und seine Biografie-Affäre - seit gestern ist sie um ein Kapitel reicher. Seit Monaten wird der Ministerpräsident von Veröffentlichungen über sein Wirken zu DDR-Zeiten getrieben. Jetzt ging er erstmals selbst in die Offensive. Doch seine jetzigen Äußerungen zu seiner Zeit als Politkader waren eher eine Flucht nach vorne. Denn schon heute könnteer von Richtern zur Veröffentlichung seines bislang unter Verschluss gehaltenen Fragebogens gezwungen werden.
Tillichs Versuch, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen, könnte gleichwohl vergeblich gewesen sein. Einmal kommt er zu spät: All das, was Tillich gestern preisgab, hätte er schon vor einem halben Jahr mitteilen können. Doch gerade weil seitdem die Staatskanzlei nach allen Regeln der Kunst „gemauert" hatte, konnte das Misstrauen gegen ihn erst richtig sprießen. In Wahlkampfzeiten besonders fatal.
In der Sache selbst hat Tillich gestern wenig Substantielles beigetragen. Er verfuhr nach der Methode: Zugeben, was mittlerweile bekannt ist. Die Bewertung dessen übernahm der Ministerpräsident auch gleich - Stanislaw Tillich gab sich selbst („... nichts vorzuwerfen ...") die Absolution.
Die Gretchenfrage aber: Wie hielt er's mit der Stasi, und was hat er dazu selbst im Fragebogen angegeben? Zweimal habe ihn das MfS damals angesprochen, zweimal habe er es abblitzen lassen, sagte Tillich bereits. Doch wie er das im Fragebogen beantwortet hat, wird wohl erst dann ans Lichtkommen, wenn ebendieser Fragebogen wirklich auf den Tisch kommt. Wie dann die Bewertung aussehen kann, muss sich zeigen.