artour | MDR FERNSEHEN | 22:05 Uhr, 02.07.2009
Die Blockade der Blockflöten
Nach 1989 gingen die DDR-Blockparteien in ihren westlichen Schwesterparteien auf. Bis heute ist ihr Interesse an einer kritischen Aufarbeitung ihrer Rolle zu DDR-Zeiten äußerst gering.
"Sonate für Blockflöten und Schalmeien" heißt eine Broschüre des sächsischen Landtagsabgeordneten
Karl Nolle (SPD). Er beklagt darin die bruchlose Karriere einstiger DDR-Funktionäre der Blockparteien nach 1989 und wendet sich gegen jene CDU-Mitglieder, die sich weigern, sich zu ihrer politischen Vergangenheit in der DDR zu bekennen. Unter ihnen: der heutige Ministerpräsident Stanislaw Tillich, CDU-Mitglied seit 1987, zu DDR-Zeiten Kreisvorstandsmitglied und stellvertretender Bürgermeister in Kamenz.
Das Werk sorgt für Aufregung. Wahlkampftheater? Parteiengezänk? Aufklärung wäre jedenfalls gut. Rolle und Geschichte der Blockparteien in der Geschichte der DDR sind - anders als im Fall der SED - bis heute weitgehend unbekannt. Ihre Mitglieder waren nicht nur Mitläufer, sondern auch Mitgestalter im politischen Alltag des Landes. In Kreisen und Bezirken trugen und übernahmen sie in führenden Positionen Verantwortung.
"Antifaschistischer Block"
Neben der SED existierten vier weitere Parteien, die CDU, die NDPD, die LDPD und die DBD. Weil die Sowjetische Militäradministration 1945 nur Parteien mit antifaschistischer Ausrichtung zuließ, bildeten diese Parteien zusammen den "Antifaschistischen Block". Daher stammt ihre Bezeichnung als "Blockparteien", später und bis heute werden sie abfällig "Blockflöten" genannt. Von der SED dominiert und gegängelt, blieben ihr politischer Einfluss und ihre Selbstständigkeit gering. Ihre Abgeordneten in der Volkskammer stimmten stets für die Politik der SED – abgesehen von einer einzigen, von der SED inszenierten Ausnahme: 1972 votierten einige Abgeordnete der CDU gegen das Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch.
In der Wendezeit nach 1989 gingen die Blockparteien in ihren westlichen Schwesterparteien auf. Mitglieder, Immobilien und Vermögen wurden übernommen. Bis heute ist ihr Interesse an einer kritischen Aufarbeitung äußerst gering.
"artour" sprach mit
Karl Nolle und dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk über die Blockade der Blockparteien, sich ihrer Geschichte zu stellen.