Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 03.02.2009

Drei geheime Blätter

Vermerk zum politischen Aschermittwoch der CDU Leipzig wirft neues Licht auf Aktenaffäre
 
Dresden. An der Elbe sorgt ein brisantes Dokument von einer Spitzelaktion rund um den politischen Aschermittwoch der Leipziger CDU für Aufsehen. Mittlerweile steht der Vermerk auf der Internetseite des Landtags – auf Initiative des Abgeordneten Volker Schimpff (CDU).

Als vor knapp zwei Jahren Akten aus Panzerschränken des sächsischen Verfassungsschutzes in der Öffentlichkeit auftauchten, war das ein Politikum ersten Ranges. Geheimpapiere zur Organisierten Kriminalität (OK) in Leipzig, ob wahr oder nicht – das gibt es selten in der Republik. Jetzt aber bekommt das, was als Aktenaffäre monatelang für Schlagzeilen sorgte, eine neue Dimension. Denn jeder, der will, kann ähnliches Material ganz offiziell einsehen: als Teil einer Landtags-Drucksache, samt der Antworten von Innenminister Albrecht Buttolo (CDU).

Insgesamt 13 Seiten umfasst der Schriftwechsel, davon sind drei Blatt geheim – eigentlich. Deshalb sind die Namen jener Personen, die auftauchen, geschwärzt, die Funktionen aber nicht. Wer sich Mühe gibt, kommt schnell dahinter, um wen es sich handelt. Urheber des pikanten Vorgangs ist ein Parteifreund von Buttolo: Volker Schimpff, Leipziger CDU-Mann mit rechtspopulistischer Neigung. Der hat sein Insiderwissen in drei kleine Anfragen an die Staatsregierung verpackt und – weil diese nicht umfassend antwortete – das geschwärzte Dokument angehängt.

Mit seiner Aktion hat Schimpff nicht nur Buttolos Sicherheitskräfte in Erklärungsnot gebracht, auch sonst ist der Schriftsatz von Brisanz. Denn der interne Vermerk vom 2. Juni 1998 ist ganz offensichtlich eine Art Treffbericht zwischen einer Geheimquelle und einem verdeckten Ermittler – allerdings nicht vom Verfassungsschutz, sondern vom Landeskriminalamt (LKA). Darin wird der Informant praktisch enttarnt: Laut Aktenvermerk handelt es sich um einen Journalisten beziehungsweise eine Journalistin aus dem Bereich Boulevard aus Leipzig.

Zusätzlich heikel ist das Papier, weil es Informationen über den politischen Aschermittwoch der CDU enthält – einer Partei, die nicht auf dem Index der Geheimen steht. „Personenfeststellungen“ lautet das Stichwort dazu, dann folgen Namen und Funktionen von acht Größen aus Politik, Justiz und Sport – vom Ex-Innenminister über einen Gerichtspräsidenten bis zum Oberstaatsanwalt und dem Ex-Chef des VfB Leipzig.

Hier setzt Schimpff an. Er will von Buttolo wissen, ob die Geheimpolizei Parteien beobachtet, die nicht als verfassungsfeindlich eingestuft sind. Nach Angaben des Ministers ist das keineswegs der Fall, das Papier stamme vielmehr aus einer LKA-Akte zu einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Leipzig. Der Schwerpunkt des Vermerks aber liegt im Bereich möglicher OK. Konkret lesen sich die Spiegelstriche nach der „Personenfeststellung“ wie eine frühe Version dessen, was in der Aktenaffäre 2007 unter dem Codenamen Abseits III für Aufsehen sorgte.

Das wirft ein neues Licht auf die Ursprünge der Affäre. Denn das OK-Referat beim Verfassungsschutz nahm erst 2003 seine Arbeit auf. Zumindest dem LKA aber lagen Informationen über mögliche unsaubere Immobiliendeals und das Kinderbordell Jasmin bereits fünf Jahre früher vor. Damit verdichtet sich die These, dass der Komplex Abseits III nicht in erster Linie auf der Geheimquelle Gemag basiert, wie externe Ermittler und Staatsregierung behauptet hatten. Hinter Gemag verbirgt sich unter anderem der Leipziger Ex-OK-Polizist Georg Wehling. Das Schimpff-Papier legt nun nahe, dass Abseits III nicht zuletzt auf den Angaben eines Geheiminformanten aus der Journalistenszene beruht.

Für CDU-Mann Schimpff, der sich von der Journaille meist schlecht behandelt fühlt, dürfte das eine späte Genugtuung sein. Nach vier Jahren Landtags-Abstinenz steht er mal wieder im Rampenlicht und sorgt nicht nur mit Eskapaden wie dem Nachruf auf den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider für Schlagzeilen. Und ganz nebenbei zeigt er „seiner“ CDU, dass er sich eben keinen Maulkorb verpassen lässt, wie diese es gerne hätte. Viel Zeit für weitere Initiativen allerdings bleibt Schimpff nicht mehr. Dem neuen Landtag wird er nicht angehören, und auch dem Europaparlament nicht. Die CDU will es so – und platzierte ihn auf einem Listenplatz ganz hinten.
Von JÜRGEN KOCHINKE

Karl Nolle im Webseitentest
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