Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 25.07.2009

Der Dreifach-IM - Peter Kurras

Belastungszeuge im Fall Tillich, hat eine schillernde Stasi-Biografie
 
Leipzig. Das Kamenzer Hutberghotel wurde im Juni 1989 Schauplatz einer finsteren politischen Intrige. So jedenfalls schilderte Peter Kurras jüngst in der Super-Illu sein Schicksal. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), seinerzeit beim Rat des Kreises für die Gastronomen zuständig, habe ihm die Gewerbeerlaubnis entzogen – und das womöglich auf Geheiß der Stasi, deutete der 66-Jährige zart an. In den Akten der Birthler-Behörde, die dieser Zeitung jetzt vorliegen, ist es jedoch Kurras selbst, der als höchst zwielichtig erscheint.

Am 5. Mai 1971 kurz vor Mitternacht fuhr an der Berliner Stasi-Zentrale ein Taxi vor. Peter Kurras wankte zur Besucheranmeldung und lieferte eine politisch verdächtige Kneipenbekanntschaft persönlich ab. Kurras wähnte in ihm einen Handlanger westlicher Geheimdienste. Die beiden Benommenen wurden vernommen, im Protokoll sind das Nachlassen der kurrasschen Konzentrationsfähigkeit und die Entleerung seines Magens vermerkt. Doch für die Mielke-Truppe kam noch mehr dabei heraus: Sie heuerte den freiwilligen Helfer wenige Monate später als IM an.

Nach Aktenlage war er 1960 als 17-Jähriger von Rotarmisten geschnappt worden, als er – angeblich im Auftrag westlicher Agenten – auf dem Müllplatz einer Garnison Papierstücke sammelte. Reichlich zwei Jahre saß er dafür in Bautzen. Die Stasi störte dies bei der Anwerbung 1971 nicht, sein Kontakt zu „negativen“ Kreisen schien wohl sogar nützlich. „Mehrfach betonte er den Bruch mit seiner Vergangenheit und seinen festen Willen, dem MfS bei der Liquidierung von solchen Feinden … zu helfen“, notierte die Sicherheit. Die Teilnahme an einem Diebstahl im Betrieb, den der Neuzugang nebenher gebeichtet hatte, ließ man ihm wohl durchgehen.

Auf die erste schriftliche IM-Verpflichtung von Ende 1971 folgte 1974 die nächste. Die Tschekisten hatten den Spitzel an die Kriminalpolizei weitergereicht, den Decknamen Dietrich behielt er bei. Im Sommer 1988 landete er wieder bei der Stasi, in Verpflichtungserklärung Nummer drei entschied er sich für den IM-Namen Ax. Übung hatte der schillernde Mitarbeiter genug. „Bei der Werbung traten keinerlei Probleme auf“, vermerkte der Führungsoffizier. Der Zuträger, so notierten die Sicherheitsorgane, war „in der Zusammenarbeit pünktlich, erschien regelmäßig zu Treffs und gab bereitwillig Auskunft“. Einmal erhielt er eine Flasche Schnaps, ein weit schöneres Präsent ereilte ihn 1988. „Aus operativen Gründen“, so teilte die Mielke-Truppe der Volkspolizei mit, sei darauf Einfluss zu nehmen, dass dem Mann der nächste Antrag auf einen Besuch bei der Westberliner Verwandtschaft „unbedingt genehmigt wird“. So geschah es und der IM kehrte brav zurück.

Der Fußbodenleger, später in der Gastronomie tätig, informierte wiederholt über kriminelle Machenschaften und über politisch verdächtige DDR- und Bundesbürger. Am 19. Januar 1989 wurde seine Akte geschlossen. Der IM habe den Wunsch gehabt, eine Gaststätte zu übernehmen und sei deshalb nach Kamenz gegangen, notierte der Führungsoffizier. Die dortigen Tschekisten zeigten kein Interesse, den Mann zu übernehmen. Im Schlussbericht wird rückblickend erwähnt, dass der IM „eine Reihe wertvoller Informationen/Hinweise zu strafbaren Handlungen“ in der Berliner Gastronomie geliefert habe. Fünf Monate und ein paar Kontrollen später erhielt er Post von Tillich, der ihm die Gewerbegenehmigung entzog. Begründung: schwere Mängel bei der Buchhaltung.
Von ARMIN GÖRTZ

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(Kommentar von Karl Nolle:
"Will uns hier der Autor Armin Görtz die neueste Legende der Staatskanzlei mit dem Titel >>Tillichs verdecktem Kampf gegen die Stasi<< beibringen, eine Geschichte, die in ihrer Klarheit und Logik nur dem begnadeten Beermann einfallen kann? Diese Legende geht so:

Der arglose Stanislaw Tillich, befand sich eigentlich immer schon im inneren Widerstand zum SED Regime, sein Lob des Sozialismus sei nur vorgetäuscht, seine Linientreue nur geheuchelt gewesen. Er habe aus seiner unpolitischen Nische einer kleinen Kirchengemeinde auf dem Lande heraus zum Schlag gegen einen Spitzel der Stasi ausgeholt und IM Kurras noch im Juni 1989 mit Gewerbeentzug bestraft, auch wenn die Gründe wohl fadenscheinig waren denn schließlich ist es schon ungeheuerlich, wenn sich ein Stasi-IM auf einmal zum Opfer macht, wie uns Kretschmer lehrte. Schließlich wußte Tillich schon damals, wie er in der SZ vom 27.7.09 berichtet, dass es mit der DDR "den Bach runtergeht".

Und Stanislaw war konsequent, wie er es in Potsdam gelernt hat, wenn schon den Bach runter, dann flugs noch vorher einen Westeigentümer enteignet - wenn schon denn schon. Das mickrige Ost-Begrüßungsgeld für Staatfunktionäre von monatlich 2.000 Mark, dass er seit dem 26.5.89 in Kamenz erhielt, hatte er schließlich noch schnell mit dem Fall der Mauer in Berlin-Tempelhof, wie er der SZ anvertraute, mit West-Begrüßungsgeld aufgestockt, er konnte ja nicht wissen, wie lange es noch dauerte, bis die Intershops auch den Bach runter verschwanden."