Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 05.08.2009

Nolles Samtpfötigkeit überrascht die politische Szene

FDP-Generalsekretär Herbst: Karl Nolle hat Kreide gefressen - SPD-Parteichef Jurk: Wenn es darauf ankommt, ist er Sozialdemokrat
 

Es gebe keinen Feldzug gegen die CDU oder gegen DDR-Biografien einzelner CDU-Mitglieder. Und er trete für eine Neuauflage der CDU/SPD-Koalition in Sachsen ein. So sagte es der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle gestern in einem Interview mit der "Freien Presse". Im politischen Dresden löste die Samtpfötigkeit des "Chefaufklärers" Überraschung aus.

Dresden. Die Beweglichkeit ihres Einzelkämpfers Karl Nolle hob Thomas Jurk, Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender der sächsischen Sozialdemokraten, hervor. "Karl Nolle ist eben Karl Nolle", stellte Jurk vielsagend fest. "Wenn es darauf ankommt - und das gilt besonders für den Wahlkampf - ist er Sozialdemokrat, der sich in den Dienst unserer gemeinsamen Sache stellt." Jurk attestiert Nolle, vor allem in einer Feststellung Recht zu haben: In Volksparteien wie der SPD müsse man unterschiedliche Meinungen respektieren und ausdiskutieren. "Das haben wir getan."

Um die sächsische SPD müsse es sehr schlimm stehen, mutmaßt dagegen Rico Gebhardt, Landesgeschäftsführer der Linken. Mit Nolle erkläre gerade einer der wenigen Kritiker aus den Reihen der SPD schon jetzt, er würde Ministerpräsident Stanislaw Tillich wiederwählen, wenn es zu einer Neuauflage einer CDU/SPD-Koalition kommt. "Damit spricht er einem Mann das Vertrauen aus, der im Umgang mit seiner DDR-Biografie einen unwahrscheinlichen Glaubwürdigkeitsverlust erlitten hat", meint Gebhardt und empfiehlt der sächsischen SPD: "Wenn sie tatsächlich eine Veränderung der Politik in Sachsen will, dann kann sie dies nur mit den Linken erreichen."

"Das ist ein völlig anderer Karl Nolle", reagierte Torsten Herbst, Generalsekretär der FDP, auf die Interview-Aussagen des SPD-Parlamentariers. Offensichtlich habe der sonst so giftig angreifende SPD-Mann Kreide gefressen. "Man hat den Eindruck, dass ihn die SPD an die kurze Leine gelegt hat", sagte Herbst. "Aber die Disziplinierung wird nicht lange anhalten", vermutet er. Nolle habe in seinem Buch über Blockflöten der Union die Grenzen der politischen Kultur überschritten, "indem er die Familie von Ministerpräsident Tillich in seine Attacken einbezogen hat."

Die sächsische CDU war zu einer offiziellen Stellungnahme nicht bereit. Man wolle "Herrn Nolle nicht aufwerten", hieß es. Als Mitglied einer Koalitionspartei habe er fünf Jahre die Regierungsarbeit torpediert. Die freundlichen Bekundungen zur CDU seien deshalb heuchlerisch. Es liege am Wähler, darauf die richtige Antwort zu geben, so die CDU.
Von Hubert Kemper

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------Kommentar von Karl Nolle:

Das Interview hat Staub aufgewirbelt. Es ist schon interessant, dass eine demokratische Binsenweisheit, wenn die Wähler wieder eine Koalition von CDU/SPD in Sachsen wollen und wenn dann  die CDU Herrn Tillich benennt, dass dann alle Abgeordneten einer Koalition diesen Kandidaten zum Ministerpräsidenten wählen, soviel Aufmerksamkeit erfährt  Wenn meine angeblich "überraschende" Aussage eine Lektion in Sachen Demokratie und Parlamentarismus gewesen sein sollte, wäre viel gewonnen.

An der in meinem Buch "Sonate für Blockflöten und Schalmeien" geäußerten grundsätzlichen Kritik an der Rolle der Blockflötenfunktionäre in der DDR und ihr heutiger Umgang damit, habe im Freie-Presse-Interview  nichts zurückgenommen (warum auch?).