Karl Nolle, MdL
welt-online.de, 03.11.2009
Bundeswehr am Hindukusch : Jetzt redet Guttenberg von "Krieg" in Afghanistan
Er verstehe jeden Soldaten, der sagt, in Afghanistan herrsche Krieg, so der CSU-Politiker: "Manche herkömmliche Wortwahl passt für die Bedrohung nicht mehr."
Neuer Verteidigungsminister, neue Rhetorik: Karl-Theodor zu Guttenberg spricht im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr von "Krieg". Er verstehe jeden Soldaten, der sagt, in Afghanistan herrsche Krieg, so der CSU-Politiker: "Manche herkömmliche Wortwahl passt für die Bedrohung nicht mehr."
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat erstmals im Zusammenhang mit dem Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan von „Krieg“ gesprochen und sich gegen beschönigende Bezeichnungen gewandt.
„Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: 'In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde.“, sagte Guttenberg der „Bild“-Zeitung. „Der Einsatz in Afghanistan ist seit Jahren auch ein Kampfeinsatz. Wenigstens in der Empfindung nicht nur unserer Soldaten führen die Taliban einen Krieg gegen die Soldaten der internationalen Gemeinschaft.“
Zwar sei das Völkerrecht eindeutig und sage, dass Kriege nur zwischen Staaten stattfinden können. Er glaube aber nicht, dass ein Soldat Verständnis habe für „notwendige juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten“. „Manche herkömmliche Wortwahl passt für die Bedrohung von heute nicht mehr wirklich“, sagte der Minister.
Wie es genau am Hindukusch weitergehen soll will die neue Regierung erst nach der Internationalen Afghanistan-Konferenz entscheiden. Das Mandat der Bundeswehr soll zunächst unverändert verlängert werden, über eine Anhebung der Mandatsobergrenze von jetzt 4500 Soldaten aber erst im Anschluss an die Konferenz entschieden werden. Das berichtet die in Halle erscheinende „Mitteldeutsche Zeitung“ unter Berufung auf das Bundesverteidigungsministerium.
Der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner habe dies bestätigt. „Wir werden nach der Afghanistan-Konferenz neue Überlegungen anstellen, aber bis dahin nichts verändern“, sagte er der Zeitung. „Deshalb reden wir jetzt nicht über eine Aufstockung, sondern verlängern erstmal das Mandat. Nach der Afghanistan-Konferenz werden wir die Dinge neu beurteilen.“
Stinner hält eine Aufstockung für denkbar, allerdings „nur dann, wenn wir von dem (zugrunde liegenden) Konzept überzeugt sind.“ Die Konferenz müsse „unbedingt zeitnah“ stattfinden.
Werner Hoyer (FDP), Staatsminister im Auswärtigen Amt, sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, vor der Entscheidung über die Truppenpräsenz in Afghanistan müsse die Frage nach der Strategie beantwortet werden. Deutschland solle sich aktiv an dieser Debatte beteiligen und erst danach entscheiden, ob eine Erhöhung von Truppenkontingenten angemessen sei.
Ein Termin für die nächste Afghanistan-Konferenz wurde bislang nicht festgesetzt. Nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll das Treffen noch dieses Jahr stattfinden. Das bisherige Mandat des Bundestages für den Isaf-Einsatz ist auf 4500 Soldaten begrenzt, läuft aber Mitte Dezember aus.
Wie ernst die Lage der Bundeswehr in Afghanistan ist, hat vor allem der Luftangriff auf zwei Tankwagen gezeigt. Die SPD forderte Guttenberg auf, zum Nato-Bericht über mögliche Fehler des deutschen Oberst Stellung zu nehmen. „Das muss auf der politischen Ebene diskutiert werden und nicht durch den Generalinspekteur“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hatte nach einer ersten Auswertung der Nato-Untersuchung betont, er habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Kommandeur des Wiederaufbauteams in Kundus, Oberst Georg Klein, und die deutschen Soldaten militärisch angemessen gehandelt haben.
Arnold sagte nun: „Die Militärs haben ihre Aufgaben mit dem Bericht erledigt. Insofern hat es mich sehr überrascht, dass der Generalinspekteur einen Nato-Bericht interpretiert. Ich habe insgesamt den Eindruck, es soll nach wie vor abgewiegelt werden.“ Aus dem verständlichen Versuch, Klein in Schutz zu nehmen, „kann nicht resultieren, dass man Fehler, die gemacht wurden, nicht offen benennt“, betonte Arnold.
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ weist der Nato-Bericht auf klare Fehler in der deutschen Operationsführung hin. Klein habe sich nicht an das Standard-Einsatzverfahren gehalten. SPD und Grüne fordern eine schnelle Einsicht in den geheim gehaltenen Bericht. „Das Parlament muss zeitnah und ohne Verzögerung unterrichtet werden“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin dem „Tagesspiegel“. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der dpa am Sonntag, damit sei Anfang der Woche zu rechnen.
US-Kampfjets hatten am 4. September auf Anforderung von Klein zwei von den Taliban gekaperte Tanklastzüge bombardiert. Klein hatte befürchtet, dass die Lastzüge als Bomben gegen die Bundeswehr genutzt werden könnten.
Unter Berufung auf die Nato erklärte das Verteidigungsministerium, die genaue Zahl der Opfer sei nicht zu ermitteln. Die Zahl der Toten und Verletzten liege zwischen 17 und 142, darunter seien 30 bis 40 Zivilisten.