Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 21.04.2010
Leipziger Immobiliengeschäfte bald Thema für neuen U-Ausschuss
Aktenaffäre wird Landtag weiter beschäftigen / Linke votiert für Neuauflage des Kontrollgremiums
Dresden. Lange hat es gedauert, seit gestern ist es soweit: Der Fortsetzung des U-Ausschusses zur Affäre um Geheimakten des Verfassungsschutzes steht nichts mehr im Wege. Gestern sprach sich die Linke im sächsischen Landtag einstimmig dafür aus, das Kontrollgremium im Mai-Plenum auf die Tagesordnung zu bringen - zusammen mit den Grünen.
Für die Einsetzung sind 27 Abgeordneten-Stimmen notwendig, die Linken-Fraktion verfügt allein über 29. Klaus Bartl (Linke), der Chef des U-Ausschusses in der vergangenen Legislatur, wurde gestern von der Fraktion beauftragt, Details zu erarbeiten. Führende Linke hatten sich bereits im Sommer vergangenen Jahres für die Fortsetzung ausgesprochen.
Gleichzeitig votierte die Linke für einen weiteren U-Ausschuss. Dieser soll unter Federführung der Grünen mögliche Unstimmigkeiten bei der Müll-Entsorgung beleuchten. Das Gremium soll bereits in der kommenden Woche das Plenum passieren. Hier stellt die CDU den Chef, bei der Aktenaffäre hat dagegen die Linke den Zugriff. Die Grünen wollen sich heute positionieren.
Angefeuert wird die Debatte um die Neuauflage des Kontrollgremiums zur Aktenaffäre durch einen über 100 Seiten starken Bericht des Landesrechnungshofes. Dieser liegt erst seit wenigen Tagen intern vor und dreht sich um dubiose Immobiliendeals in Leipzig in den 90er Jahren - nicht zuletzt um die Riemannstraße 52. Dabei kritisieren die Finanzkontrolleure auch den Freistaat sowie die Stadt Leipzig (diese Zeitung berichtete). Die Immobilie spielte bereits ein zentrale Rolle zu Beginn der Aktenaffäre vor drei Jahren.
Spätestens seit dem Bericht der Rechnungsprüfer wird die Affäre um Geheimakten zur Immobilienaffäre. Zwar haben die Kontrolleure keine Hinweise auf mafiöse Netzwerke entdeckt, "grobe Nachlässigkeiten bei der Behandlung von Förderverfahren" aber schon. Diese hätten die "vermeidbare Überfinanzierung und unzulässige Förderungen eines Projektes" erst ermöglicht, notieren die Prüfer. Der U-Ausschuss dürfte sich nicht zuletzt um die Frage drehen, ob die Riemannstraße samt der dubiosen Rolle der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB) ein Sonderfall war - oder eine Art Blaupause für ähnliche Fälle. Nicht zufällig hatte der Rechnungshof per Stichprobe ein gutes Dutzend weiterer Leipziger Immobilien unter die Lupe genommen.
Interessant ist hierbei der Autor. Dieser heißt Wilfried Spriegel und ist ein Leipziger Justiz-Insider ersten Ranges. Bis Sommer vergangenen Jahres war er Amtsgerichtspräsident - und hat während seiner Verabschiedung für einen mittleren Eklat gesorgt. Beim Festakt Ende Juni hatte er die damalige Justizstaatssekretärin Gabriele Hauser, die ihn gerade in höchsten Tönen gelobt hatte, mit herben Worten bedacht. Kritik sei "nicht erwünscht" in Dresden, ging er die Amtschefin an, deshalb könne er "die Komplimente nicht zurückgeben". Hauser galt in Justizkreisen als Strippenzieherin mit enormem Einfluss, bis hin zur Abmoderation der Aktenaffäre. Der neue Justizminister Jürgen Martens (FDP) hatte sie im Herbst umgehend entlassen, sie ist jetzt im Bundesinnenministerium untergekommen.
von Jürgen Kochinke