Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 30.04.2010

Druckereichef wegen Flut-Betrugs angeklagt

Im Zeitraum zwischen 2002 bis 2006 soll die Druckerei fast 6,5 Millionen Euro zu viel von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) kassiert haben.
 
Fast acht Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser in Sachsen kommt jetzt einer der vermutlich größten Betrugsfälle mit Fluthilfe-Mitteln vor Gericht. Zwei Jahre ermittelte die Staatsanwaltschaft Dresden. Jetzt hat sie Anklage erhoben gegen den Geschäftsführer der Radebeuler Internet-Druckerei Unitedprint.com AG, Wolfgang Lerchl. Ihm wird Subventionsbetrug im großen Stil vorgeworfen, und zwar im Zeitraum zwischen 2002 bis 2006. Insgesamt soll die Druckerei fast 6,5 Millionen Euro zu viel von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) kassiert haben.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Christian Avenarius, bestätigte auf SZ-Anfrage lediglich, dass gegen den Firmenchef Anklage erhoben worden ist, allerdings ohne Namen zu nennen. Beschuldigt werden aber auch der Vorstand eines Würzburger Druckmaschinenherstellers sowie ein Dresdner Firmenanwalt, so Avenarius. Nach SZ-Recherchen geht es dabei um einen früheren Vorstand von Koenig&Bauer, der „Mutter“ von KBA Radebeul. Ihm und dem Firmenanwalt von Unitedprint.com wird Beihilfe zum Subventionsbetrug in mehreren Fällen vorgeworfen. Sie sollen Lerchl durch entsprechende Gestaltung von Kauf- und anderen Verträgen sowie Rechnungen erst die Vorlage der zur Bewilligung der Subventionen erforderlichen Unterlagen ermöglicht haben.

Nach SZ-Informationen ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits seit 2007 in dem Fall. Im Sommer 2008 durchsuchten gleich zwei Dutzend Ermittler von Staatsanwaltschaft und Polizei das Firmengebäude in Radebeul – zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres. Die Razzia traf auch Lerchls Privathaus und das Büro seiner Dresdner Steuerkanzlei.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft von damals waren nach der Flutkatastrophe insgesamt fast acht Millionen Euro in den Wiederaufbau der Druckerei gegangen.

Waren Flutschäden so schwer?

Damals hatte das Unternehmen noch unter dem Namen „Meißner Druckhaus“ firmiert und war bei der Flut eigenen Angaben zufolge schwer geschädigt worden. Stark in Mitleidenschaft gezogen wurde vor allem das Herzstück des Unternehmens: seine Druckmaschinen. Doch waren sie wirklich unbrauchbar? Waren die Schäden durch die Flut wirklich so groß? Die Staatsanwaltschaft bezweifelt dies – nach SZ-Informationen kamen die Mühlen der Justiz vor zwei Jahren durch eine anonyme Anzeige in Gang.

An neuem Standort in Radebeul, mit neuem Namen und viel neuem Geld gelang Wolfgang Lerchl damals der Neustart. Etwa 4,9 Millionen Euro soll das Unternehmen von der SAB zur Schadensbeseitigung erhalten haben. Weitere 2,7 Millionen Euro stammten aus der sogenannten Investitionszulage, einem Fördertopf für Unternehmen. Mit dem Geld wurden von KBA Radebeul Maschinen gekauft. Heute beschäftigt Unitedprint.com rund 400 Mitarbeiter und hat Tochtergesellschaften in 23 Ländern.

Lerchl selbst hatte noch vor einem Jahr auf SZ-Anfrage die Vorwürfe als „falsch und haarsträubend“ zurückgewiesen. Er vermutete, dass ein Denunziant dahinter steckte, der ihm den Erfolg seines Unternehmens neidete.

Sein Anwalt hatte die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. Gestern war er für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Von Annette Binninger

Artikel-URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2450808