Karl Nolle, MdL

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-11/saechsischer-foerderpreis, 10.11.2010

Demokratie-Kämpfer unter Generalverdacht

Eklat in Dresden: Nominierte des Sächsischen Förderpreises für Demokratie sollten in einer Erklärung versichern, dass sie nicht linksextrem sind.
 
Aktivisten gegen Rechtsextremismus sollen künftig offiziell das Grundgesetz anerkennen

Aufregung um die misslungene Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie: Das Alternative Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz (AKuBiZ) aus Pirna hatte am Dienstagabend überraschend auf seine mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung verzichtet.

Hintergrund ist eine von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) auf den Weg gebrachte Initiative. Unter anderem will die Familienministerin die Mittelvergabe an Initiativen gegen Rechtsextremismus ab 2011 von einem (schriftlichen) Bekenntnis zum Grundgesetz abhängig machen. Sie will damit unterbinden, dass extrem linke Gruppierungen durch ihre Projekte gegen Rechtsextremismus finanziell unterstützt werden. Denn Schröder sieht den Linksextremismus in Deutschland bisher nicht genügend bekämpft.

Die Jury des Sächsischen Förderpreises hatte Schröders Idee bereits vorweggenommen und die diesjährigen Nominierten dazu aufgefordert, eine "antiextremistische" Grundsatzerklärung zu unterzeichnen. Im Bestätigungsformular zur Nominierung heißt es, den Nominierten sei bewusst "dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird".

Vielmehr sollten die Nominierten "dafür Sorge tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls zu den Zielen des Grundgesetzes verpflichten". So könnten sich die Organisationen im jährlichen Verfassungsbericht über die Verlässlichkeit ihrer Partner informieren.

Diese Klausel nahm das AKuBiZ zum Anlass, um kurz vor der Preisverleihung anzukündigen, dass es den Hauptpreis nicht annehmen wolle. Man wolle sich nicht der Aufforderung beugen, Kooperationspartner "auszuleuchten", teilte der Verein mit, der schon mehrmals für seine Arbeit gegen rechte Jugendkultur, Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet wurde.

Der Vorsitzende Steffen Richter betonte, man wähle "selbstverständlich" seit Jahren die Partner des Vereins "danach aus, ob sie demokratische Werte teilen und sich gegen Diskriminierung und für gesellschaftliche Teilhabe einsetzen". Gerade deshalb sei die "antiextremistische Grundsatzklausel" ein Affront gegen jegliches zivilgesellschaftliches Engagement. Eine ständige gegenseitige Überprüfung würde außerdem "die Vertrauensgrundlage" der Arbeit der Organisationen infrage stellen.

Unterstützung kam auch von Laudatorin Gesine Schwan: Demokratiepolitik dürfe engagierte Bürgerinnen und Bürger nicht pauschal unter Verdacht stellen. Damit würde nur eine "Kultur des Misstrauens" gefördert werden, sagte die ehemalige SPD-Kandidatin um das Bundespräsidentenamt.

Regierungssprecher Johann-Adolf Cohausz, der auf der Veranstaltung den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) als Schirmherr des Förderpreises vertrat, verteidigte das Vorgehen. Eine Auszeichnung mit dem Demokratiepreis sei sehr wohl an Verpflichtungen geknüpft. Das seien die Einhaltung von "Leitplanken" der Demokratie und die Sorge dafür, weder nach rechts noch nach links "vom Weg abzukommen".

Gleichzeitig machte Cohausz auch die Jury für den unglücklichen Verlauf der Preisvergabe verantwortlich. So bemängelte Cohausz, dass die Entscheidungsfindung der Jury nicht durch eine Geschäftsordnung strukturiert und eher "informell" sei.

Zur Stiftung gehören unter anderen die Amadeu Antonio Stiftung, die Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank, die Stiftung der Dresdner Frauenkirche und Michael Wilhelm als Vertreter des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren. Laut eigener Aussage hatte Willhelm innerhalb der Jury darauf gedrängt, von den Nominierten ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu fordern, als sich abzeichnete, dass AkuBiZ sich als Hauptpreisträger durchsetzten würde. Als Begründung seiner Vorbehalte verwies der Vertreter der Landesregierung ohne weitere Erklärungen auf die Homepage des Vereins, auf der sich auf den ersten Blick nichts Verdächtiges entdecken lässt.

Aus einer Pressemitteilung der Bundestagsabgeordneten Monika Lazar (Grüne) geht hervor, der Verfassungsschutz habe nach der Jury-Entscheidung Vorbehalte gegen den Preisträger angedeutet und damit ein "Klima der Verunsicherung" geschaffen. Initiativen gegen Rechts würden heutzutage unter den Generalverdacht des Extremismus gestellt, schrieb Lazar.

Dass Initiativen aufgrund von Inhalten auf der Homepage oder verlinkten Seiten als "linksextremistisch" eingestuft werden, kommt immer wieder mal vor. Insbesondere von öffentlichen Geldern abhängigen Initiativen kann dies empfindlich schaden. Die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. beispielsweise ist aufgrund einer Einstufung als "linksextremistisch" im bayerischen Verfassungsbericht 2008 aus der beim bayerischen Jugendring angesiedelten Landeskoordinationsstelle gegen Rechtsextremismus ausgeschlossen worden und dem Verein wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Obwohl der bayerische Verwaltungsgerichtshof kürzlich die Anordnung erließ, die fragliche Nennung aus dem Verfassungsschutzbericht zu streichen, konnte sich der bayerische Jugendring bisher noch nicht dazu entschließen, die Zusammenarbeit wieder aufzunehmen.

Die den Sächsischen Förderpreis mitausrichtende Amadeu Antonio Stiftung distanzierte sich inzwischen von der Extremismus-Klausel. Die Vorsitzende des Stiftungsvorstands, Anetta Kahane, erklärte, es habe in der Jury Diskussionen gegeben, schließlich habe sich das Innenministerium mit seiner Klausel durchgesetzt. "Wir hätten dagegen Einspruch erheben sollen, aber der Zeitdruck und die Aufregung um die Diskussion waren zu groß. Die Stiftungen wurden für die Extremismus-Klausel instrumentalisiert", sagte Kahane. Das Problem liege dabei nicht in dem Bekenntnis zur Freiheitlichen Demokratischen Grundordnung, sondern in der geforderten Überprüfung der Gesinnung von potenziellen Projektpartnern.

"Die Reaktion des AKuBiZ zeigt, dass wir genau den richtigen Preisträger ausgewählt haben", sagte Kahane. Zynisch klingt das allerdings, wenn man bedenkt, dass der Verein auch weiterhin auf die Fördersumme verzichten muss.