Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 25.11.2010

Fristlose Kündigung für Stasi-Spitzel

Dresdner Hannah-Arendt-Institut zieht Konsequenzen im Fall Michael Richter, der als IM tätig war
 
Dresden/Leipzig. Es ging im Stasi-Fall Michael Richter dann doch schneller als angekündigt, aber allemal getreu der von Günther Heydemann, Direktor des Hannah-Arendt-Institutes, in dieser Zeitung kund getanen Meinung: "Es wird die brutalst mögliche Aufklärung geben."

Heydemann gestern: "Das Kuratorium des Hannah-Arendt-Institutes hat in seiner Sitzung vom 23. November der fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages des Mitarbeiters Dr. Michael Richter zugestimmt. Die fristlose Kündigung wird ausgesprochen aufgrund der erteilten Auskünfte des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR an unser Institut. Diese belegen gravierende, über den bisherigen Kenntnisstand erheblich hinausgehende Aktivitäten Dr. Richters als IM."

Dem Kuratorium gehören unter anderem Vertreter des Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie der Sächsischen Akademie der Wissenschaften an.

Richter hatte von 1979 bis 1981 als IM Thomas für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet. Er schrieb vielfach Berichte über Freunde und Kommilitonen beziehungsweise informierte in Treffs seine Führungsoffiziere. Der 57-Jährige schreckte selbst nicht davor zurück, das Notizbuch eines Freundes abzuschreiben und der Stasi auszuhändigen. Richter nutzte die Tätigkeit fürs MfS, um in die Bundesrepublik ausreisen zu können, wo er die Mitarbeit aufkündigte. Hier setzte er sein Studium fort und arbeitete später unter anderem für die Konrad-Adenauer-Stiftung. Seit 1994 war er als Historiker für das Hannah-Arendt-Institut tätig. Er machte sich vor allem einen Namen mit dem Buch zur Geschichte der Friedlichen Revolution in Sachsen, was von Fachleuten als geschichtliches Standardwerk bewertet wird.

Der Leipziger Ex-Bürgerrechtler Uwe Schwabe, Vorsitzender des Vereins Archiv Bürgerbewegung, begrüßt die Konsequenz, mit der beim Hannah-Arendt-Institut der Fall Richter behandelt wurde, er sieht aber mit der Entlassung das generelle Problem des Vertrauensverlustes in eine Einrichtung, die Totalitarismus-Forschung betreibt, als keineswegs gelöst an. Nun müsse geklärt werden, wie ein IM wie Richter überhaupt angestellt werden konnte beziehungsweise wie es möglich war, dass die Stasi-Verstrickungen des Historikers zwar bekannt, aber in dessen mehr als 15-jährigen Tätigkeit nie grundlegend hinterfragt wurden. Schwabe: "Wer hat was zu welchem Zeitpunkt gewusst?"

Auch Sachsens Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, Michael Beleites, begrüßt die Entscheidung. Er bleibt aber auch bei seiner Meinung, dass allein mit Richters Kündigung der Imageverlust des Institutes nicht repariert sein kann.
Direktor Heydemann kündigte die Überprüfung aller an seinem Institut arbeitenden Wissenschaftler an. Dass durch die Affäre Richter der Ruf der Institution großen Schaden genommen hat, will Heydemann nicht stehen lassen: "Noch spricht doch für uns vor allem unsere vielfach anerkannte wissenschaftliche Arbeit."
von  Thomas Mayer