Karl Nolle, MdL
spiegel-online.de, 17.12.2010
Solidaritätsappell: Medien kritisieren Kriminalisierung von WikiLeaks
Deutsche Zeitungen, Online-Journalisten und eine Menschenrechtsorganisation gegen die Kriminalisierung von WikiLeaks.
Wer im Internet publiziert, soll nicht schlechter behandelt werden als ein klassischer Journalist: In einer gemeinsamen Erklärung wenden sich deutsche Zeitungen, Online-Journalisten und eine Menschenrechtsorganisation gegen die Kriminalisierung von WikiLeaks.
Hamburg/Berlin - Mehrere deutsche Medien haben am Donnerstag einen gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Darin wenden sie sich gegen den auf die Betreiber der Seite ausgeübten politischen und wirtschaftlichen Druck. Das Internet sei eine neue Form der Informationsverbreitung. Es müsse deshalb "den gleichen Schutz genießen wie die klassischen Medien", heißt es in dem Aufruf.
Erstunterzeichner des Appells sind die "Tageszeitung" ("taz") , die "Frankfurter Rundschau", "Der Freitag", der Berliner "Tagesspiegel", perlentaucher.de sowie die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).
Nach ihrer Ansicht haben die Bürger ein Recht auf Kontrolle des Staates und der Regierung. Auch wenn an WikiLeaks manches zu kritisieren sei, ermögliche es als Teil der Medienöffentlichkeit diese Kontrollfunktion: "Der Staat ist kein Selbstzweck und muss eine Konfrontation mit den eigenen Geheimnissen aushalten", heißt es in dem Appell.
sha/dpa/dapd
Appell für WikiLeaks
Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen Artikel 19: "Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten."
die taz, die Frankfurter Rundschau, der Freitag, der Tagesspiegel, Perlentaucher.de, die Berliner Zeitung, netzpolitik.org und European Center For Constitutionel and Human Rights (ECCHR) veröffentlichen diesen Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks.
1. Die Angriffe auf Wikileaks sind unangebracht
Die Internet-Veröffentlichungsplattform Wikileaks steht seit der Veröffentlichung der geheimen Botschaftsdepeschen der USA unter großem Druck. In den USA werden die Wikileaks-Verantwortlichen als "Terroristen" bezeichnet, es wird sogar ihr Tod gefordert. Große internationale Unternehmen wie MasterCard, PayPal und Amazon beenden ihre Zusammenarbeit mit Wikileaks - ohne dass eine Anklage gegen die Organisation vorliegt, geschweige denn eine Verurteilung. Gleichzeitig wird die technische Infrastruktur von Wikileaks anonym über das Internet attackiert. Dies sind Angriffe auf ein journalistisches Medium als Reaktion auf seine Veröffentlichungen. Man kann diese Veröffentlichungen mit gutem Grund kritisieren, ebenso die mangelnde Transparenz, welche die Arbeit der Plattform kennzeichnet. Aber hier geht es um Grundsätzliches: die Zensur eines Mediums durch staatliche oder private Stellen. Und dagegen wenden wir uns. Wenn Internetunternehmen ihre Marktmacht nutzen, um ein Presseorgan zu behindern, käme das einem Sieg der ökonomischen Mittel über die Demokratie gleich. Diese Angriffe zeigen ein erschreckendes Verständnis von Demokratie, nach dem die Informationsfreiheit nur so lange gilt, wie sie niemandem weh tut.
2. Publikationsfreiheit gilt auch für Wikileaks
Die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verbriefte Publikationsfreiheit ist eine Grundlage der demokratischen Gesellschaften. Sie gilt nicht nur für klassische Medien wie Zeitungen oder Fernsehanstalten. Das Internet ist eine neue Form der Informationsverbreitung. Es muss den gleichen Schutz genießen wie die klassischen Medien. Längst hätte es einen weltweiten Aufschrei gegeben, wenn die USA ein Spionage-Verfahren gegen die New York Times, einen finanziellen Kreuzzug gegen den Spiegel oder einen Angriff auf die Server des Guardian führen würden.
3. Recht auf Kontrolle des Staates
Die Kriminalisierung und Verfolgung von Wikileaks geht über den Einzelfall hinaus. Die Veröffentlichung als vertraulich eingestufter Informationen in solchen Mengen soll verhindert werden. Denn die Menge an Dokumenten liefert der Öffentlichkeit einen weit tieferen Einblick in staatliches Handeln als bisherige Veröffentlichungen in klasssischen Medien. Der Journalismus hat nicht nur das Recht, sondern die Aufgabe, den Staat zu kontrollieren und über die Mechanismen des Regierungshandelns aufzuklären. Er stellt Öffentlichkeit her. Ohne Öffentlichkeit gibt es keine Demokratie. Der Staat ist kein Selbstzweck und muss eine Konfrontation mit den eigenen Geheimnissen aushalten. Wir, die Initiatoren und Unterzeichner, fordern, die Verfolgung von Wikileaks, die dem Völkerrecht zuwiderläuft, zu stoppen. Wir fordern alle Staaten und auch alle Unternehmen auf, sich diesem Feldzug gegen die bürgerlichen Rechte zu widersetzen. Wir fordern alle Bürger, bekannt oder unbekannt, in politischen Positionen oder als Privatpersonen, auf, für die Einstellung der Kampagne gegen die Meinungs- und Informationsfreiheit aktiv zu werden. Wir laden alle ein, sich an dem Appell für die Medienfreiheit zu beteiligen.
Die Erstunterzeichner dieses Appells:
http://bewegung.taz.de/aktionen/4wikileaks/beschreibung
taz
Frankfurter Rundschau
Der Freitag
Tagesspiegel
European Center For Constitutionel and Human Rights (ECCHR)
Perlentaucher.de
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