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spiegel-online.de, 26.02.2011

Kritik an Guttenberg: Wie der Unionsstar seine Parteifreunde verstört

Von Sebastian Fischer
 
Die CSU steht trotz der Plagiatsaffäre wie ein Mann hinter ihrem vermeintlichen Superstar Karl-Theodor zu Guttenberg. Doch wie lange noch? Unter der Oberfläche brodelt es längst, die Kleine-Leute-Partei ist in ihrem Selbstverständnis getroffen.

Berlin - Horst Seehofer hat da einen bemerkenswerten Satz über die Zukunft von Karl-Theodor zu Guttenberg gesagt: "Ein Minister stürzt nur, wenn es die Partei will. Und die Partei will es nicht." Das ist, auf den ersten Blick, eine saftige Solidaritätsbekundung.

Auf den zweiten dann schon nicht mehr.

Denn Seehofers Worte lassen einen Umkehrschluss zu: Wenn die Partei nicht mehr will, nun, dann ist Guttenberg weg.

Das ist neu. Schien Guttenberg vor seiner Plagiatsaffäre doch schier unangreifbar. Die Partei durfte seinerzeit ja dankbar sein, wenn er sich ihrer irgendwann erbarmte und in nicht allzu ferner Zukunft den CSU-Vorsitz übernähme. Sein Griff nach Münchner Parteizentrale und Berliner Kanzleramt - alles nur eine Frage der Zeit. Das jedenfalls war die Stimmung bei Winterbeginn. Guttenberg feierten sie auf dem CSU-Parteitag, Seehofer stempelten sie zur lahmen Ente.

Alles passé. Die Christsozialen halten ihren einstigen Superstar längst nicht mehr für unantastbar. Für nicht wenige ist es eine äußerst bittere Enttäuschung, dass ausgerechnet Guttenberg jene bürgerlichen Werte "mit Füßen tritt" (ein führendes CSU-Mitglied), die man gegen Rote und Grüne so gern ins Feld führt:

Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Anstand. Und nicht zuletzt: Glaubwürdigkeit.

Noch stehen sie an Guttenbergs Seite

Noch brodelt es bei den Christsozialen nur unter der Oberfläche. So geben Parteivolk und CSU-Granden in Sachen Guttenberg bisher ein selten geschlossenes Bild der Treue ab: Man erkennt "kommunistische Initiative" (der CSU-Abgeordnete Norbert Geis), "unwürdige Hatz" und "Rufmord" (CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt) oder schlicht "eine Unverschämtheit" der Opposition (CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich). Kommunale Mandatsträger berichten, dass sie im Supermarkt und beim Bäcker angesprochen werden, um Gottes willen auf den KT aufzupassen und sich nicht beirren zu lassen.

Soweit die Oberfläche. Die wird so lange ruhig bleiben, wie Guttenbergs Beliebtheitswerte im grünen Bereich sind. Was aber, wenn der Mann nicht mehr Idol und Kult ist?

Aber noch ist ja alles gut: Guttenberg bleibt trotz Affäre der beliebteste Politiker in Deutschland - vor der Kanzlerin. Das weiß das ZDF-Politbarometer. 60 Prozent der Befragten bekunden, dass der CSU-Politiker trotz seiner fehlerhaften Doktorarbeit und des aberkannten Doktortitels weiter für höchste politische Ämter geeignet sei. Und für mehr als zwei Drittel der Leute hat Guttenbergs Schummeln und Abkupfern generell keine überragende Bedeutung.

"Irgendwann aber wachen wir auf", sagt ein CSUler, "in ein paar Wochen werden die Werte zurückgehen - und dann haben wir ein Problem." Und zwar ein doppeltes. Erstens: Der CSU kommt ihre Zukunft in der Gestalt Guttenbergs abhanden. Zweitens: Sie hat ausgerechnet bürgerliche Prinzipien verraten, die jeder Konservative so gern vor sich her trägt.

Und noch etwas kommt hinzu: Die CSU war immer auch - fast wie die Sozialdemokratie und ganz im Unterschied zu CDU, FDP und Grünen - eine Partei der kleinen Leute und der Aufsteiger. Fast alle ihre Vorsitzenden haben sich aus mehr oder weniger ärmlichen Verhältnissen nach oben gekämpft.

Partei der Aufsteiger

Drei Beispiele: Die Eltern von Franz Josef Strauß betrieben eine kleine Metzgerei, der Junge kam nur durch Fürsprache eines Priesters aufs Gymnasium; Erwin Huber wuchs vaterlos und in Armut auf einem niederbayerischen Einödhof auf, kämpfte sich hoch durch Bildung; Horst Seehofer ist der Sohn eines Lastwagenfahrers. "Leberkäs-Etage" nennen sie das in Bayern. Für alle galt das Aufstiegsversprechen: Leiste was, dann wirst du was.

Daneben hat die CSU als Bauernpartei aber auch adelige Großgrundbesitzer an sich gebunden, unter ihnen die Familie zu Guttenberg. Karl-Theodors gleichnamiger Großvater war profilierter Außenpolitiker in Bonn, einer der Architekten der Großen Koalition im Jahr 1966 und Mitglied der Regierung Kiesinger. Dieser CSU-Adel allerdings, so schreibt es der Politikwissenschaftler Alf Mintzel, dürfe nicht "mit den ostelbischen Junkern verglichen werden".

Denn man pflegt die Nähe zum Volk, man beugt sich bürgerlichen Konventionen - und dem entsprechenden Leistungsdenken. Karl-Theodor zu Guttenberg hat das immer für sich reklamiert. Auch seine Doktorarbeit galt als Ausweis dafür, dass er, der steinreiche Adelige, sich nicht auf seinem Besitz ausruhte.

Und wenn jetzt alles nur geklaut ist, dann ist das mehr als ein privates Problem des Mannes Guttenberg, wie Angela Merkel dies mit ihrer Persönlichkeitsaufspaltung in erfolgreichen Minister und sündigen Ex-Doktor suggerieren will. Es ist viel mehr als das: Guttenberg greift das Selbstverständnis seiner Partei an.

So könnte der christsoziale Ärger in dem Moment hochkochen, in welchem der vermeintliche Messias keine entsprechenden Umfragewerte mehr liefert. Oder wenn die Leute im Supermarkt und in der Bäckerei immer dann zu spotten beginnen, wenn ein CSU-Vertreter härteres Durchgreifen gegen Ladendiebe fordert oder die große Rede von der deutschen Bildungsrepublik schwingt.

"Dann wären unsere Träume zerstoben", sagt einer.