Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 09.04.2001

Das falsche Signal

In einer ehemaligen Brikettfabrik versucht die SPD den Start in eine neue Zukunft
 
DRESDEN/Neukirchen. Dunkelheit, Qualm, dumpfes Hämmern. Dann Lichtblitze, das Hämmern geht in Musik über: Kaum merklich verwandelt sich die einstige Brikettfabrik in Neukirchen bei Borna (Kreis Leipziger Land) in eine moderne Diskothek. Was hier nur wenige Minuten dauerte, brauchte in Wirklichkeit Jahre langen Kampf. "Wäre es nach den Gewerkschaften gegangen", berichtete Projektleiter Hartmut Rüffert, "hätten hier 20 Leute noch zwei Jahre länger Arbeit haben können - beim Abriss ihrer Fabrik." Das hörten die SPD-Abgeordneten, die sich in der Pause die kleine Vorführung gönnten, nicht so gern. Schließlich wollten sie mit der Wahl dieses ungewöhnlichen Veranstaltungsortes für ihren Parteitag auch ein Zeichen setzen -ein Zeichen für den Wandel einer alten Industrieregion in ein neues Wirtschaftszentrum. Die SPD habe diesen Wandel bisher nicht mit der nötigen Kraft mitbestimmt, konstatierte Landeschefin Constanze Krehl vor den Delegierten. Doch das werde sich mit der Bürgermeister- und Landratswahl am 10. Juni ändern. Denn: "Die CDU hat in einem Maß abgewirtschaftet, wir uns das nicht vorstellen konnten." Auch gute Umfrageergebnisse und der Rückenwind von der Bundesregierung stimmten optimistisch. "Von hier und heute muss ein Signal der Geschlossenheit ausgehen", appellierte die Vorsitzende am Ende ihrer Rede. Doch bei einem Viertel der Delegierten verhallt der Ruf. Als Frau Krehl kurz darauf für die Wahl in den Bundesvorstand nominiert werden sollte - eigentlich ein Routineakt - erhält sie nur 96 von 125 Stimmen. Vielleicht seien manche mit ihren Entscheidungen nicht so zufrieden gewesen, mutmaßte die 44-Jährige. Vielleicht lag's aber auch an ihrer Rede, die sie binnen einer Viertelstunde runter rasselte. Der Applaus dafür stand zumindest in keinem Vergleich zu dem Beifallssturm, mit dem zuvor der Auftritt von Ute Vogt bedacht worden war. Die baden-württembergische Landesvorsitzende hatte den sächsischen Genossen Mut und Selbstbewusstsein zugesprochen. Die Diskussionen auf und am Rande des Parteitages drehten sich vor allem um das Kanzlerwort zu den faulen Arbeitslosen und die aktuelle Biedenkopf-Affäre. Der Leitantrag des Landesvorstandes, der für die Stärkung der lokalen Demokratie, für mehr Bürgerengagement und ein Miteinander der Generationen eintritt, wurde ohne große Worte verabschiedet. Umso heftiger ging der Streit über den Antrag A 01. Darin forderte der Ortsverband Zwickau-Planitz ein generelles Überholverbot für Lkws auf zweistreifigen Autobahnen. Ein Genosse rechnete den daraus resultierenden Nutzen detailliert vor, allerdings umsonst: Erst scheiterte die Überweisung an die Bundestagsfraktion, dann der Antrag selbst.
(Steffen Klameth)