Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 08.09.2011

Ex-Landesbanker sollen vor Gericht

Von Sven Heitkamp, Leipzig
 
Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat Anklage gegen drei Ex-Vorstände um Michael Weiss erhoben. Sie sollen die Bilanzen geschönt haben.
Es war ein kurzer historischer Augenblick, als Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt am 25. Februar 2005 überraschend vor den Landtag trat und das plötzliche Ausscheiden des Vorstandschefs der Sachsen-LB, Michael Weiss, und des Vorstandsmitglieds Rainer Fuchs verkündete. Nach einer Reihe von Vorwürfen um die inzwischen abgewickelte, einzige ostdeutsche Landesbank und den Manipulationsvorwürfen zu einem aktienrechtlichen Dokument waren die beiden zurückgetreten, „um weiteren Schaden von der Bank und den Eigentümern abzuwenden“. Der Schaden trat dennoch ein.

Die Leipziger Bank geriet zweieinhalb Jahre später an den Rand der Pleite und wurde Ende August 2007 an die Landesbank Baden-Württemberg notverkauft. Der Freistaat bürgt noch viele Jahre für Ausfälle von bis zu 2,75 Milliarden Euro. Knapp 207 Millionen Euro mussten bereits gezahlt werden.

Gestern nun hat die komplizierte juristische Aufarbeitung des Wirtschaftskrimis einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Staatsanwaltschaft Leipzig erklärte, dass sie gegen drei frühere Bankvorstände Anklage erhoben hat. Es handelt sich um Weiss, Fuchs sowie deren früheren Vorstandskollegen Hans-Jürgen Klumpp. Ihnen werden Untreue und unrichtige Darstellung in Jahresbilanzen vorgeworfen. Ein Beschuldigter soll ferner Erträge und Verpflichtungen aus den hochriskant arbeitenden, irischen Zweckgesellschaften Georges Quay und Ormond Quay „nur unvollständig dargestellt haben“. Die zwei anderen Beschuldigten sollen dabei Hilfe geleistet haben.

Getäuscht für höheres Gehalt

Die Staatsanwaltschaft geht nach ihren Ermittlungen zum Zusammenbruch der Sachsen-LB davon aus, dass die Jahresabschlüsse der Bank für die Jahre 2003 und 2004 „unrichtig und geschönt“ aufgestellt wurden, sodass jeweils Gewinne ausgewiesen werden konnten. Auf dieser Basis seien dann „pflichtwidrig“ Ausschüttungen an die Anteilseigner und erfolgsabhängige Vergütungen an die Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter gezahlt worden. Bei einer Verurteilung droht den Vorständen eine mehrjährige Haftstrafe. Zuständig für die weitere Aufarbeitung des Falles ist die Wirtschaftskammer des Landgerichts Leipzig.

Ob Weiss aber jemals zu einem Prozess erscheinen wird, ist offen. Er hat sich nach der Affäre auf die Sonneninsel Zypern abgesetzt. Dort lebt er mit seiner Ehefrau Andrea Braun, der ehemaligen Chefin einer Landesbank-Leasingtochter. Eine Reporterin der SZ hatte vor drei Jahren Weiss’ kleine Villa gut versteckt auf einer Anhöhe in den Bergen von Paphos ausfindig gemacht. An diesem abgeschiedenen Wohnort hat sich der einstige Spitzenbanker bisher dem Zugriff der deutschen Justiz entzogen. In der Vergangenheit gingen bereits einige Vorladungen oder Schriftsätze an Weiss’ als unzustellbar zurück.

So forderte zum Beispiel die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) rund 140.000 Euro Erfolgsprämie zurück, nachdem das Landgericht Stuttgart die Jahresberichte der Jahre 2004 bis 2006 für null und nichtig erklärt hatte. Insgesamt hätte die Bank von Weiss und seinen damaligen Vorstandskollegen sogar gern 300.000 Euro wieder, da sie in den Bilanzen zu viel Gewinn ausgewiesen und dafür zu viele Boni kassiert hätten. Der Freistaat Sachsen hat ferner gegen acht ehemalige Spitzen der abgewickelten Bank Schadensersatzklagen erhoben, um Geld zurückzufordern. Ausgang ungewiss.

Weitere Ex-Manager verdächtig

Haftbefehle liegen gegen die Vorstände bisher nicht vor. „Wir gehen zunächst davon aus, dass sich die Beschuldigten dem Prozess stellen werden“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ricardo Schulz. Falls dies nicht der Fall sei, würden Gericht und Staatsanwaltschaft die Angeklagten per Haftbefehl einbestellen. Andernfalls droht in wenigen Jahren die Verjährung.

Die drei Vorstände sind nicht als Einzige im Fadenkreuz der Ermittler. Gegen drei ehemalige Manager wurde schon Ende Juni Anklage wegen Untreue und unrichtiger Darstellung erhoben. Gegen fünf weitere, nachfolgende Vorstände wird noch immer ermittelt. Sie werden teils für das Milliarden-Desaster verantwortlich gemacht, da die hochriskanten Finanzgeschäfte auf dem eingebrochenen US-Immobilienmarkt nach Weiss’ Ausscheiden weiter ausgeweitet wurden.