Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 14.09.2011

„Ohne jeden Beweis“

Interview: Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann wirft Sachsens Datenschützer Andreas Schurig schwere Fehler im Bericht zur Handy-Affäre vor.
 
Herr Fleischmann, Sachsens Datenschutzbeauftragter ist überzeugt, dass die Justiz unrechtmäßig die Handy-Verbindungsdaten von Tausenden Anti-Nazi-Demonstranten abgefragt hat. Droht ein neuer Justizskandal?

Absolut nicht, im Gegenteil. Der Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig ist für seinen Vorwurf bisher jeglichen Nachweis schuldig geblieben. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden auf Funkzellenabfragen während der Februar-Demonstrationen wurde formal völlig korrekt eingereicht, hinreichend geprüft und schließlich ausdrücklich genehmigt, weil die Abfragen zur Aufklärung von Straftaten zwingend notwendig waren.

Herr Schurig besteht darauf, dass dieser Eingriff in die Grundrechte vieler friedlicher Demonstranten unverhältnismäßig war und damit gegen Gesetze verstieß.

Der Datenschutzbeauftragte versucht mit einer nicht überzeugenden Begründung, die beantragenden Staatsanwälte einer Gesetzesverletzung zu bezichtigen. Der Vorwurf ist für Juristen nicht nachvollziehbar. Überhaupt ist seine Rüge inhaltlich an vielen Stellen widersprüchlich und beruht zum Teil auf nicht überprüften Annahmen. Ich vermisse letztlich die gebotene Objektivität. Herr Schurig bewegt sich offensichtlich auf einem für ihn fremden Gebiet, für das er zudem gar nicht zuständig ist.

Nicht zuständig? Der Datenschützer wurde vom Landtag beauftragt, die Vorfälle zu prüfen.

Unter Bezug auf Datenschutz hat er allerdings eine Rechtmäßigkeitskontrolle von gerichtlichen Anordnungen durchgeführt. Er verkennt, dass dies nur Gerichten zusteht. Sein Vorgehen stellt eine Missachtung des Richtervorbehalts dar. Mit seiner Rüge versucht er, nicht nur in Sachsen, sondern praktisch bundesweit in die Tätigkeit der Justiz einzugreifen.

Laut dem Datenschützer ist die Abfrage von Handy-Daten nur in Ausnahmefällen erlaubt. Im Computer der Staatsanwaltschaft sind die Anträge aber bereits vorformuliert, der Amtsrichter muss heute nur noch unterschreiben.

Wenn der Datenschutzbeauftragte deshalb davon ausgeht, ein Richter weiß nicht, worüber er entscheidet, ist das ein genauso ungeheuerlicher wie falscher Vorwurf. Natürlich stehen dem Richter stets auch alle anderen Informationen zur Verfügung. Er hat exakt den gleichen Wissensstand wie der Staatsanwalt, der den Antrag stellt. Im speziellen Fall war ihm daher auch bekannt, dass unter den Tausenden Demonstrationsteilnehmern auch Abgeordnete, Rechtsanwälte, Geistliche und Journalisten sind. Trotzdem hat er die Funkzellenabfrage ausdrücklich genehmigt, da die Anwesenheit dieser Personen für diese Abfrage ohne rechtliche Bedeutung und im Übrigen notwendig und berechtigt war.

Das Ergebnis ist eine gewaltige Datenmenge, auf die nun Polizei und Justiz ungehindert Zugriff haben. Warum wurden die Angaben über Unbeteiligte nicht bereits wieder gelöscht?

Wir arbeiten daran, aber es gibt rechtliche und technische Probleme. Die Verbindungsdaten wurden von den Telefonanbietern auf CDs geliefert. Die sind Beweismittel und können erst nach Abschluss der Gerichtsverfahren vernichtet werden. Ein vorheriges teilweises Löschen ist kaum möglich. Aber kein Unbeteiligter muss etwas befürchten, nur weil seine Nummer auftaucht. Ergeben sich keine Mehrfachtreffer, wird auch nicht geprüft, welcher Name hinter dem Anschluss steckt. Es passiert praktisch nichts.

Viele Betroffene fragen sich, wie man mit Telefonverbindungsdaten Straftäter überführen kann, die aus der Masse heraus agieren. Am Ende weiß die Justiz ja nur, welches Handy wann wo war.

Die Frage zwingt mich, Details aus unserem Ermittlungskonzept offenzulegen. Das ist durch die öffentliche Debatte schon geschehen, der Schaden also bereits eingetreten. Die erfolgte Handy-Abfrage diente dazu, festzustellen, wie über Telefonate die Krawalle gesteuert wurden. Wir wollen nur wissen, welche Personen sich an mehreren Tatorten, an denen es zum Landfriedensbruch kam, aufgehalten haben. Taucht ein Handy an mehreren Tatorten auf, ist das ein Ansatz für Ermittlungen, und wir versuchen, den Nutzer festzustellen. Wir spionieren also nicht willkürlich Personen aus, sondern suchen nur gezielt nach Straftätern.

Bei erneuten Demonstrationen im Februar 2012 wird Sachsens Justiz also wieder fleißig millionenfach Handy-Daten abfragen?

Ich vermute nicht, weil sich die Straftäter auf die Funkzellenabfragen eingestellt haben. Sie werden Vorkasse-Handys verwenden, die auf Kunstnamen ausgestellt sind. Als Ermittlungsansatz werden die seit Jahren erfolgreich genutzten Abfragen künftig eher wertlos sein.

Eine Reihe Ihrer Kollegen in der Justiz sind empört und fordern, dass sich der Datenschutzbeauftragte für seine Rüge entschuldigt. Wollen Sie das auch?

Herr Schurig sollte öffentlich richtigstellen, dass die Staatsanwaltschaft Dresden nicht gegen Gesetze verstoßen hat. Eine Entschuldigung brauche ich persönlich nicht.

Das Gespräch führte Gunnar Saft