Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 27.09.2011
Chefpersonalie … ungelöst
Der Intendanten-Kandidat Bernd Hilder fällt im Rundfunkrat dramatisch durch. Nun sucht der Sender einen Profi mit Niveau.
Johannes Jenichen, ein Mann der Kirche und Vorsitzender des MDR-Rundfunkrates, erspart dem Kandidaten die Schmach vor dem Gremium. Er schickt ein Mitglied vor die Tür, wo Bernd Hilder wartet. Quasi unter vier Augen erfährt der Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“, dass er durchgefallen ist – dramatisch. Der 52-Jährige war einziger Bewerber und wird doch nicht Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks. Der Gang zur alten Leipziger Fleischhandelsbörse, wo die Rundfunkräte tagen, endet wie auf einer Schlachtbank.
Eine ganz schwere Watsche
Dass es knapp werden würde mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit, war absehbar. Dass Bernd Hilder aber zwei Drittel gegen sich haben würde, dass er 29 Nein- und lediglich zwölf Ja-Stimmen der 41 anwesenden Rundfunkräte erhält, das sei „überraschend“, „apokalyptisch“ und eine „ganz schwere Watsche“, sagen Beteiligte.
Durch einen Seiteneingang der alten Fleischbörse verlässt der Gescheiterte wenig später das MDR-Gelände. Zerknirscht und hochrot habe er ausgesehen, sagt jemand, der Hilder beim Gehen beobachtet hat. Der Nachrichtenagentur dpa gegenüber bleibt der Verlierer dennoch selbstbewusst: „Schade. Gern hätte ich dem MDR geholfen, aus seiner Krise herauszukommen.“
Nach der Abstimmungspleite steht der skandalgeschüttelte MDR in wenigen Tagen kopflos da. Noch-Intendant Udo Reiter, 67, wird Ende Oktober gehen. Dass bis dahin doch noch ein Nachfolger gewählt wird, ist eher unwahrscheinlich. Der siebenköpfige Verwaltungsrat soll binnen vier Wochen einen neuen Namen nennen, einen der „Bundesliga-Format“ habe, heißt es. Das Gremium trat nach der Wahl zu einer Krisensitzung zusammen.
Es ist möglich, dass Reiters Stellvertreterin, Karola Wille, nun eine Chance erhält. Sie hatte bei der Nominierung den ersten Wahlgang für sich entschieden und gilt auch bei zahlreichen Rundfunkräten als mehrheitsfähig. Ob es zu einer solchen internen Lösung kommt, ist aber unklar. Auf einen Vorschlag festlegen wollte sich niemand.
Unterschiedlich reagierten die Staatskanzleien in Dresden, Magdeburg und Erfurt auf das Ergebnis. Während Thüringen die gescheiterte Wahl nicht kommentieren wollte, empfahl Franz Kadell, Stellvertretender Regierungssprecher in Sachsen-Anhalt, dass Verwaltungsrat und Rundfunkrat vor der Nominierung eines neuen Kandidaten „sorgfältiger miteinander kommunizieren“ sollten. Ein eher müdes Bedauern in Dresden: „Ich finde es schade, dass dem Vorschlag des Verwaltungsrates nicht entsprochen wurde“, ließ Staatskanzleichef Johannes Beermann mitteilen.
Als dessen Kandidat galt Hilder, und viele schließen nicht aus, dass gerade die diskrete Schützenhilfe aus der Dresdner Staatskanzlei dem Bewerber zum Verhängnis wurde. So kritisierten Rundfunkräte nach der Wahl, dass es im ersten Besetzungsverfahren seit Reiters Inthronisierung vor 20 Jahren an Staatsferne gemangelt habe. Interne Absprachen hätten Gremienmitglieder vor den Kopf gestoßen. So hatte Verwaltungsratschef Gerd Schuchardt dem Rundfunkrat von Hilders Nominierung berichtet, bei der die CDU-nahen Mitglieder des Gremiums erst nach intensiven internen Diskussion die notwendigen fünf Stimmen für ihren Kandidaten zusammengebracht hätten. Wohl auch deshalb sagte der Grünen-Politiker Karl-Heinz Gerstenberg gestern nach der Wahl: „Herr Beermann hat mit seinem Bulldozer-Vorgehen einen Scherbenhaufen hinterlassen.“
Souverän entschieden
Hilder, der als CDU-nah gilt, habe auch als Person nicht überzeugen können, hieß es gestern. Bis zuletzt habe er kein schriftliches Konzept für seine Zukunftspläne mit der kriselnden Drei-Länder-Anstalt vorgelegt. Es blieb fraglich, ob er tatsächlich in der Lage ist, einen so großen Betrieb wie den MDR zu führen. Er hat im Rundfunkbetrieb vor allem Korrespondentenerfahrung und ist als Chefredakteur bei der „Leipziger Volkszeitung“ für einige nicht unumstritten.
Zu Beginn der Sitzung hatten die Rundfunkräte mit 29 Stimmen weitere Wahlgänge an diesem Tag abgelehnt. „Der Rundfunkrat“, so Johannes Jenichen, „hat sich als souveränes Gremium demokratisch mehrheitlich gegen Herrn Hilder entschieden.“ Der Thüringer Rundfunkrat und Journalist Wolfgang Marr sprach gar von einem „guten Ergebnis für den MDR“.
Von Sven Heitkamp, Johanna Lemke und Thomas Schade