Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.10.2011
Jenaer Pfarrer ruft Dresdner zum friedlichen Protest auf
Der umstrittene Geistliche Lothar König will am 13.Februar wieder in Dresden dabei sein – gern in Hörweite der Nazis.
Von „Machtarroganz“ der Behörden spricht er und von der „Opfermentalität“ der Stadt Dresden. Der umstrittene Jenaer Jugendpfarrer Lothar König hat in den vergangenen Wochen viel Medienöffentlichkeit und, wie er sagt, auch viel unerwartete Solidarität erfahren.
Nach den Demonstrationen am 19.Februar dieses Jahres ermittelt die Dresdner Staatsanwaltschaft wegen aufwieglerischen Landfriedensbruchs gegen ihn – und beschlagnahmte seinen VW-Lautsprecherwagen. Das hält König nicht davon ab, auch für den Februar 2012 sein Kommen anzukündigen. „Von so etwas lasse ich mich doch nicht einschüchtern, das weckt eher noch meinen Widerstandsgeist“, sagt er. Es sei schließlich zu erwarten, „dass die Nazis wieder aufmarschieren und dann bin ich es meinen Unterstützern schuldig“, sagt König. Der neue Lautsprecherwagen sei bereits organisiert, finanziert von der Jungen Gemeinde. „Das kann ich den Dresdnern ja in Rechnung stellen“, scherzt König.
Wichtig ist dem Pfarrer der Protest in Hör- und Sichtweite der Nazis. „Da gibt es eindeutige Urteile dazu, sonst ist der Protest doch wirkungslos.“ Er bittet die Dresdener, gewaltfrei zu bleiben. Zugleich befürwortet er vehement Sitzblockaden. „Ich greife dabei niemanden an, ich schade niemandem. So etwas stellt – außer in Sachsen – keine Straftat dar.“ In Thüringen würden in so einem Fall nicht einmal die Personalien aufgenommen, sagt König. Wenn er auf die Demonstrationen im vergangenen Jahr zu sprechen kommt, redet er sich in Rage. Er habe vor der Frauenkirche einen Platzverweis erhalten und nicht auf den Heidefriedhof gedurft, „aber die Nazis sind da durchmarschiert. Uns haben sie noch nicht mal einen Grund genannt.“ In Jena wäre dies seiner Ansicht nach so nicht passiert.
Dem Jugendpfarrer ist das Gedenken um den 13. Februar in Dresden zu sehr verordnet und fremdbestimmt. „Die Gegendemonstranten kommen doch von außerhalb.“ Er wünscht sich mehr Engagement im Alltag gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und dass sich die Dresdner verstärkt mit der eigenen Geschichte auseinander setzen: „Dieser Nazi-Mythos von der wehrlosen, schönen Stadt, der stimmt doch so nicht.“ Dresden sei ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt gewesen, 20.000 Wehrmachtsoldaten seien hier stationiert gewesen. „Warum finden hier diese Demos statt, wo doch andere Städte viel stärker bombardiert wurden?“, fragt König.
Er würde der Stadt gern empfehlen, eine Weile ganz auf das verordnete Gedenken zu verzichten. „Einfach mal sieben Jahre Ruhe.“ Der Pfarrer möchte damit nicht das private Trauern verhindern. Der politische Akt des Gedenkens diene derzeit jedoch „einzig und allein den Nazis, die hier jährlich marschieren können“, sagt König.
Von Franziska Dähn