Karl Nolle, MdL
Agenturen dpa, 15:37 Uhr, 06.10.2011
Kritik an Aufhebung von Ramelows Immunität
Thüringens Linke-Fraktionschef Ramelow und seine Amtskollegen aus Sachsen und Hessen sollen vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft ihnen vor, im Februar 2010 einen genehmigten Aufmarsch von Neonazis verhindert zu haben.
Dresden/Erfurt (dpa) - Der Immunitätsverlust des Linkspolitikers Bodo Ramelow hat Proteste ausgelöst. Die Bundesgeschäftsführerin der Linken, Caren Lay, sprach am Donnerstag von einem «verheerenden Signal für die Demokratie». «Wer gegen Nazis demonstriert, nimmt ein demokratisches Grundrecht wahr. Friedliche Blockaden sind keine Straftat, sondern ein Akt der Zivilcourage.»
Ramelow und seine Amts- und Parteikollegen André Hahn (Sachsen), Janine Wissler und Willi van Ooyen (beide Hessen) soll der Prozess gemacht werden, weil sie sich im Februar 2010 in Dresden in eine Blockade gegen Neonazis eingereiht hatten. Die Staatsanwaltschaft Dresden hält sie für «Rädelsführer» der Proteste. Damals waren etwa 15 000 Menschen gegen einen Aufzug Rechtsextremer auf die Straße gegangen.
Lay verwies auf ein Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag, wonach es keine rechtliche Grundlage für die Verfahren gegen die Dresdener Demonstranten gebe. Die Verfahren gegen Ramelow, Hahn, van Ooyen und Wissler müssten deshalb sofort eingestellt werden. «Demokratische Parteien sollten die Bürgerinnen und Bürger dazu ermutigen, Gesicht gegen Rechts zu zeigen. Die Entscheidung, Bodo Ramelows Immunität aufzuheben, bewirkt das genaue Gegenteil», sagte Lay.
Protest legten auch die Linken in Sachsen ein. Rechtsexperte Klaus Bartl hält zumindest eine Aussetzung der Verfahren für erforderlich - solange wie das Gutachten der Bundestagsjuristen zu prüfen ist.
Der sächsische SPD-Politiker Karl Nolle griff seine Genossen in Thüringen scharf an, weil sie am Mittwoch im zuständigen Justizausschuss des Landtags der Aufhebung von Ramelows Immunität zugestimmt hätten. «Die gestrige Entscheidung der SPD im Thüringer Landtag halte ich für blamabel und für einen unverzeihlichen politischen Fehler», betonte Nolle.
Entscheidungen zur Immunität seien Gewissensentscheidungen und dürften weder Begehrlichkeiten von Koalitionsverträgen noch Fraktionszwängen unterliegen. Die Thüringer SPD wollte sich nicht äußern und verwies auf eine «geheime Abstimmung».
In der Vorwoche hatte bereits ein Ausschuss im sächsischen Landtag mit den Stimmen von CDU, FDP und rechtsextremer NPD für die Aufhebung der Immunität André Hahns gestimmt. Da das Votum nicht einstimmig ausfiel, muss in Sachsen der Landtag im Plenum darüber befinden.
Für viele wirft das Vorgehen der Staatsanwälte Fragen auf. Denn obwohl alle Ermittlungen gegen namentlich bekannte Teilnehmer der Blockaden eingestellt wurden, behielt die Staatsanwaltschaft die vier führenden Linken-Politiker weiter im Visier. Die Ermittler sehen wegen deren Ämtern eine besondere Verantwortung. Hahn hält dagegen, dass sich strafrechtliche Verfolgung ausschließlich auf eine konkrete Tat gründen darf, nicht aber auf eine demokratisch gewählte Funktion im Parlament.
Autor: Jörg Schurig
dpa jos yysn z2 aro
061537 Okt 11