Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 12.10.2011

Tränen und Grabenkämpfe hinter verschlossener Tür

Nur drei Tage nach dem Parteitag in Bautzen ringen Sachsens Sozialdemokraten weiter um ihr Selbstverständnis als Opposition
 
Dresden. In der sächsischen SPD hängt der Haussegen schief. Gestern tagte die Fraktion stundenlang hinter verschlossenen Türen, selbst Mitarbeiter wurden nach draußen geschickt. Grund für die aufgeheizte Stimmung: Unter der Decke toben derzeit erhebliche Grabenkämpfe zwischen den forschen Jungvorderen und der eher moderaten Gruppe um Chef Martin Dulig - Tränen inklusive. Das Ergebnis allerdings war ernüchternd, der Revolte wurde auf November vertagt.
Als sich Sachsens Sozialdemokraten am Wochenende zum Landesparteitag in Bautzen trafen, schien am Ende alles klar. Fraktions- und Parteichef Dulig hatte sich durchgesetzt; mit großer Mehrheit stellte sich der Konvent hinter seinen Realo-Kurs. Damit hatten jene, denen die SPD im Freistaat nicht forsch genug auftritt, das Nachsehen, die Frage schien geklärt. Doch gestern, gerade mal drei Tage später, folgte die Neuauflage des zermürbenden Gerangels. Austragungsort diesmal war der Landtag in Dresden, wo sich turnusgemäß die Fraktion zur Sitzung traf.

Kern der Auseinandersetzung ist der Posten des finanzpolitischen Sprechers, eigentlich eine Formalität. Der Haushälter der Fraktion heißt derzeit Mario Pecher, und auf dessen Amt hat SPD-Generalsekretär Dirk Panter ein Auge geworfen. Dahinter allerdings verbirgt sich Grundsätzliches - das Tauziehen um das Selbstverständnis der Zehn-Prozent-Partei SPD als Opposition. Hier steht Pecher eher für einen moderaten Kurs ohne allzu viel Krawall. Panter dagegen, heißt es in der Fraktion, fordere mehr Erkennbarkeit und Profil.

Auch wenn Dulig auf genau das in Bautzen selbst hingewiesen hatte, macht ihm die Frage weiter das Leben schwer. Schließlich war der Dresdner früher Juso-Chef, und nicht wenige der Jungtruppe erwarten von ihm deshalb eine dezidiert "linkere" Haltung. Doch spätestens seit dem Bautzener Parteitag müsste auch dem letzten Neu-Juso im Freistaat klar geworden sein, dass Dulig genau das nicht will. "Wir müssen Politik für Mehrheiten machen und nicht nur für kleine Gruppen", hatte er nicht zufällig gesagt - und: "Ich bin kein Freund der Linken, aber ich bin auch kein Freund der CDU."

Trotzdem ist die Lage gestern in der Fraktion ganz offensichtlich eskaliert. Es seien Tränen geflossen, hieß es hinterher, von "Seelenmassage" und stundenlangem "Auskotzen" war die Rede. Wie die Grabenkämpfe am Ende ausgehen, ist offen. Nur soviel steht fest: Derzeit zumindest habe Panter keine Mehrheit hinter sich, hieß es - zwei bis drei Abgeordnete seien es maximal. Im November soll die Debatte fortgesetzt werden.
Jürgen Kochinke