Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 14:10 Uhr, 14.11.2011

Stefan Aust: Kein Terrorismus ohne Massenbasis

Gespräch: Thomas Lanig
 
Berlin (dpa) - Die jetzt entdeckte Gruppe neonazistischer Gewalttäter kann nach Ansicht des Terrorismusexperten Stefan Aust nicht ohne Unterstützung agiert haben. «Es ist neu und erschreckend, dass es in diesem Land offenbar ein wie immer gestricktes Netzwerk von Neonazis gibt, die organisiert Morde begehen», sagte Aust der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. «Es gibt keinen Terrorismus ohne Massenbasis.»

Weder in Irland noch im Baskenland oder im islamischen Extremismus gebe es Terrorismus ohne Unterstützung, sagte der frühere «Spiegel»-Chefredakteur, der sich als Autor («Der Baader Meinhof Komplex») mit der linksterroristischen RAF beschäftigt hat. Deshalb sei es fast ausgeschlossen, dass es zwischen den jetzt entdeckten Gewalttätern und dem relativ großen Feld rechtsradikaler Neonazis keine Verbindung gibt. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass die allein gearbeitet haben.»

Eine systematische Unterschätzung des Rechtsextremismus in Deutschland sieht Aust nicht. Das zeigten auch die - gescheiterten - Bemühungen um ein NPD-Verbot. Es gehe jetzt darum, erst einmal aufzuklären, was tatsächlich Sache ist. «Jetzt ist klassische Polizei- und Geheimdienstarbeit gefragt.»

Versäumnisse des Verfassungsschutzes gebe es aber auf alle Fälle. Es sei schwer vorstellbar, dass Verfassungsschützer diesen Rechtsextremisten im Laufe von zehn Jahren nicht auf die Spur gekommen sind. «Versagt haben sie auf alle Fälle. Die Frage ist nur, wie nah sie dran gewesen sind.»

Im Gegensatz zur RAF hätten die jetzt aufgeflogenen Rechtsterroristen ihre Taten nicht zu Propagandazwecken genutzt. «Normalerweise ist Terrorismus Propaganda der Tat.» Es habe aber auch im Linksterrorismus eine zweite Motivation gegeben: «Ein narzisstisches Hochgefühl, sich zum Herrn über Tod und Leben zu machen.» Auch bei Islamisten gehe es immer auch um «heilige Selbstverwirklichung», sagte Aust. «Es kann sein, dass man sich die Propaganda für später aufgespart hat.»

dpa tl yydd a3 ll/aro
141410 Nov 11