Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 14.01.2012
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Richter-Beleidigung
(In bestimmten Fällen gehts auch ganz schnell ...)
Weil ein Amtsrichter in einem Internet-Forum als „Nazi-Richter“ beschimpft wurde, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung gegen unbekannt. Das bestätigte nun ein Behördensprecher.
Die SZ berichtete am Freitag (siehe unten) über drastische Reaktionen auf die Verurteilung eines Studenten wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu 300 Euro. Er war am 19. Februar an der Blockade eines Nazi-Marsches beteiligt. Nach dem Schuldspruch wurde der Richter im Internet wüst beleidigt, namentlich genannt und sein Foto gezeigt.
Der Sächsische Richterverein sagte, damit sei die Grenze des Zumutbaren überschritten. Es sei Aufgabe der Richter, die Gesetze anzuwenden und nicht nach ihrer Sympathie für die Ziele der Angeklagten zu urteilen. (lex)
SZ vom 13.01.2012
Richterverein fordert Ermittlungen
Von Alexander Schneider
Nach der Verurteilung eines Blockierers vom 19. Februar kritisiert der Sächsische Richterverein überzogene Kritik am Richter durch Gegendemonstranten.
Bis heute löst die erste Verurteilung eines Blockierers vom 19. Februar 2011 extreme Reaktionen aus. Der 22-jährige Student hatte nach Überzeugung des Richters mit Hunderten anderen den Nazi-Marsch verhindert und wurde daher im Dezember am Amtsgericht Dresden wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt.
Sofort hagelte es Proteste von allen Seiten. Entsetzte Anrufer machten selbst in Gerichten ihrem Unmut Luft, in Zeitungen gingen Dutzende Leserbriefe ein. Die Kritiker waren nicht nur Sympathisanten des Angeklagten, die den Prozess verfolgt hatten. Auch Menschen, die mit den Demos gegen Nazis nichts zu tun haben, verstanden das Urteil nicht. Der Student habe doch etwas gegen Rechtsextreme unternommen, sagen sie.
Diffamierungen im Internet
Ohne Beispiel jedoch sind Reaktionen im Internet. Dort wurde der Richter in einschlägigen Foren persönlich diffamiert. „Nazi-Richter“ hieß es da, „Schandurteil“ oder „man müsste gegen die Staatsmacht vorgehen“. Selbst ein Foto des Richters, es stammte offenbar von seinem Facebook-Profil, wurde samt Namen veröffentlicht.
Da hört der Spaß auf, findet der Sächsische Richterverein. Nun wendet sich der Verband an die Öffentlichkeit: „Die Kritiker will ich mal sehen, was wäre, wenn ihre Demonstration durch Gewalt verhindert worden wäre“, sagt der Vorsitzende Reinhard Schade, selbst Richter am Landgericht Bautzen: „Natürlich müssen wir Richter uns Kritik gefallen lassen. Aber das Urteil hier wird nicht akzeptiert, und man will auch gar nicht diskutieren.“ Solche überzogenen Reaktionen hält Schade für „skandalös“. Dass Richterkritik ins Persönliche ginge, sei nicht hinnehmbar: „Das ist Beleidigung und üble Nachrede.“ Er fordert, gegen die Täter zu ermitteln. Die Verunglimpfung von Richtern sei kein akzeptables Mittel in der politischen Diskussion.
Dem Gesetz verpflichtet
Die Arbeit der Richter bestehe nicht darin, Sympathie mit Zielen der Angeklagten zu haben, sondern die Gesetze anzuwenden, sagt Schade. „Dazu sind wir verpflichtet, sonst begehen wir Rechtsbeugung.“ Für Polizisten und Staatsanwälte gelte dies auch. Schade hofft, dass sich Politiker hinter ihre Bediensteten stellen. „Das erwarte ich von unserem Minister.“
Bei den Reaktionen auf das Urteil wurde deutlich, dass der Richter gezielt in die rechte Ecke gestellt werden sollte. Denn in seinem Urteil hatte der Richter betont, dass er von den Nazi-Märschen gar nichts hält. Er nannte es „schizophren“, wenn die Nachfolger der Partei, die allein den Zweiten Weltkrieg verschuldet habe, sich nun jährlich in Dresden als Opfer darstellten.