Karl Nolle, MdL
Agenturen, dpa, 17:57 Uhr, 17.01.2012
Streit um Geheimbericht zu Neonazi-Trio
Täglich sickern neue Details zur früheren Fahndung nach dem Neonazi-Trio in die Öffentlichkeit. Dass der Bund die Quelle dafür geheim hält, sorgt für Unmut und Diskussionen.
Erfurt (dpa/th) - Während immer weitere Details über die frühere Fahndung nach dem Neonazi-Trio bekannt werden, streiten Abgeordnete und Ministerien um den Zugang zu dem entsprechenden Geheimbericht. Das Thüringer Innenministerium müsse den Abgeordneten mindestens seine Zuarbeit für einen bisher geheimen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Verfügung stellen, forderte Fraktionschef Bodo Ramelow am Dienstag, was Innenminister Jörg Geibert (CDU) kurz darauf zusagte. Geibert will gleichzeitig beim Bund auf eine Freigabe des gesamten Berichts drängen.
Der MDR Thüringen berichtete am Dienstag unter Berufung auf das Papier, dass das 1998 untergetauchte Trio intensive Kontakte zu der später verbotenen Neonazi-Organisation «Blood & Honour» gehabt habe. Bei zwei Abhöraktionen hätten Ermittler des Landeskriminalamtes Hinweise bekommen, dass der untergetauchte Uwe Böhnhardt im Jahr 2000 Verbindung zu Chemnitzer Aktivisten dieser Gruppe aufgenommen habe. Demnach verdächtigten die Polizei-Ermittler im September 1998 auch den Chef der sächsischen «Blood&Honour»-Sektion, Waffen für die drei aus Thüringen stammenden Neonazis zu beschaffen. Sie sollen bis 2011 zehn Menschen ermordet haben und für mehrere Banküberfälle und Sprengstoffanschläge verantwortlich sein.
«Blood&Honour» (Blut und Ehre) wurde in Deutschland im Jahr 2000 verboten. Das in den 80er Jahren in England entstandene Netzwerk wollte vor allem die Skinhead-Szene mit Musik politisch beeinflussen. Der deutsche Ableger entstand 1994 und hatte zum Zeitpunkt des Verbots rund 200 Mitglieder. Ein loses Netzwerk «Combat 18» gilt als bewaffneter Arm der Gruppe. Aktivitäten in Deutschland waren vor allem durch eine Großrazzia in Norddeutschland 2003 bekanntgeworden.
Das ARD-Magazin «Fakt» berichtete am Dienstag, das Bundesamt für Verfassungsschutz habe kurz nach dem Untertauchen des Trios bis zu 20 Ermittler und ein Kleinflugzeug mehrere Monate lang für die Suche nach Thüringen entsandt. Die Aktion sei ergebnislos beendet worden. Nach Informationen des Magazins gehörte zur seinerzeitigen Neonazi-Kameradschaft Jena außer dem Trio und einigen der inzwischen als mutmaßliche Unterstützer verhafteten Männer auch ein Verwandter von Beate Zschäpe. Er sei kurz nach dem Mord an einer Polizistin in Heilbronn 2007, der dem Trio zur Last gelegt wird, untergetaucht. Nach Informationen von «Fakt» ist er bis heute verschwunden.
Innenminister Geibert kündigte an, zumindest die Thüringer Zuarbeit für den Geheim-Bericht des Bundes-Verfassungsschutzes der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtags zur Verfügung zu stellen. Das Gremium zur Kontrolle des Verfassungsschutzes tagt geheim. Geibert bezeichnete es als «höchst unbefriedigend», dass der Bericht zwar bereits einzelnen Medien vorliege, das Bundesinnenministerium eine Freigabe bisher aber verweigere. Er sei darüber «verärgert» und wolle deshalb noch einmal den Kontakt mit dem Ministerium suchen. Der Bericht liege inzwischen dem Thüringer Verfassungsschutz und dem Thüringer Innenministerium vor. «Ich hoffe, dass es gelingt, das Bundesinnenministerium umzustimmen», sagte Geibert.
Ein Sprecher des Landtags erklärte, dass es keine Strafanzeige gegen Landtagsabgeordnete wegen eines Verdachts auf Geheimnisverrat geben werde. Die CDU-Abgeordnete Beate Meißner hatte dies im Dezember angeregt, weil Informationen aus vertraulichen Sitzungen an die Öffentlichkeit gelangt seien. Der Landtagssprecher verwies dagegen darauf, dass «so viele Informationen auch aus anderen Quellen in der Öffentlichkeit waren, dass sie sich nicht zuordnen ließen.» Nach seinen Angaben beschloss der Ältestenrat des Landtages am Dienstag, dass ein Antrag aller Fraktionen auf einen Thüringer Untersuchungsausschuss noch für die Plenarsitzung am 26. Januar erarbeitet werden solle.
Autor: Christian Schneider
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