Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 03.03.2012

Nazi-Blockade: Schon wieder ein Freispruch

 
Der Richter sagt, er könne nicht ausschließen, dass es sich bei dem 25-jährigen Angeklagten „nur“ um einen Gaffer handle.

Mit einem Freispruch endete jetzt der dritte Prozess gegen einen mutmaßlichen Blockierer am Amtsgericht Dresden. Wie schon die beiden vorangegangenen Entscheidungen – ein weiterer Freispruch und eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 300 Euro – ist auch dieses Urteil nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft kündigte die Berufung an.

Laut Anklage hatte der 25-jährige Systeminformatiker aus Berlin am 19. Februar 2011 mit bis zu 1700 weiteren Gegendemonstranten die Fritz-Löffler-Straße versperrt, um einen Nazi-Aufmarsch zu verhindern. Das sei den Blockierern auch gelungen, weshalb die Staatsanwaltschaft gegen rund 230 Beschuldigte Verfahren eingeleitet hatte. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.

Zur Erinnerung: Die Rechtsextremisten, die den ganzen Tag vor dem Hauptbahnhof und an anderen Orten in Dresden herumgestanden hatten, zogen nachmittags unverrichteter Dinge ab. Hunderte Demonstranten hatten in der Südvorstadt wiederholt Polizeisperren durchbrochen, um zu blockieren.

Oberlandesgericht prüft

Der 25-jährige Angeklagte hatte sich zu dem Vorwurf nicht geäußert, was sein gutes Recht ist. Zeugen – vor allem Polizeibeamte, aber auch Gegendemonstranten oder Beobachter der umstrittenen Blockade an der Fritz-Löffler-/Ecke Reichenbachstraße schilderten die Abläufe der Blockade und des Polizeieinsatzes recht unterschiedlich.

Für Richter Hans Hlavka stellte sich der Ablauf der Blockade als unübersichtlich dar, schon weil es mehrere Stunden gedauert habe, ehe die Polizei die Blockierer umstellt hatte, um sie zu identifizieren. Die Uniformierten hätten vor der „Umschließung“ nochmals extra auf diese Maßnahme hinweisen müssen, sagte der Richter. Daher habe Hlavka nicht ausschließen können, ob es sich bei dem Angeklagten nicht um einen „Gaffer“ gehandelt haben könnte. Für eine Verurteilung seien bei ihm zu viele Zweifel geblieben.

Staatsanwalt Marc Lehr hatte eine empfindliche Geldstrafe gefordert. Gegen den Angeklagten spreche, dass er einschlägig vorbestraft sei – er sei nach einer Demonstration in Rostock 2009 wegen Sachbeschädigung verurteilt worden.

Inzwischen muss sich auch das Oberlandesgericht (OLG) mit den Blockierer-Prozessen befassen. Verteidigerin Kristin Pietrzyk, die den einzigen bislang verurteilten Studenten vertritt, beantragte eine Revision. Das OLG muss etwa prüfen, ob die Blockade überhaupt eine solche war oder nicht doch eine von der Polizei schützenswerte Kundgebung, wie Pietrzyk argumentiert.

Von Alexander Schneider