Karl Nolle, MdL

LVZ/DNN, 29.03.2012

Mehr Schüler, weniger Lehrer

Alarmierende Studie von Ex-Kultusminister Wöller / Jährlich 1600 Einstellungen von Pädagogen nötig
 
Dresden. Wie dramatisch ist der Lehrermangel an Sachsens Schulen wirklich? Darüber gehen die Meinungen innerhalb der Staatsregierung auseinander. Die neue Kultusministerin Brunhild Kurth (parteilos) betonte in vier Tagen Amtszeit immer wieder, sie müsse erst die Zahlen abgleichen. Dabei hatte ihr Vorgänger Roland Wöller (CDU) noch vor zwei Wochen eine Studie erstellen lassen, die den Bedarf an Lehrkräften aus Sicht des Kultusministeriums verdeutlicht.

Die Studie mit dem Titel "Qualität des sächsischen Bildungssystems langfristig garantieren, Lehrerbedarf sichern!" mit Datum 15. März wurde dem SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle zugespielt. Der Inhalt der brisanten 34 Seiten ist alarmierend und unterstreicht die zuletzt von Wöller geforderten Nachbesserungen am Bildungspaket der schwarz-gelben Staatsregierung.

PDF > Studie zum Lehrermangel in Sachsen

Demnach rechnet das Ministerium schon für das kommende Schuljahr mit einem Defizit von 550 Stellen, das vor allem durch den Wechsel vieler Lehrer in die Ruhephase der Altersteilzeit entstehe. Der Unterrichtsausfall würde sich dadurch noch verschärfen. Allein im Schuljahr 2010/11 fielen von insgesamt 21,6 Millionen Unterrichtsstunden knapp 800.000 außerplanmäßig aus. Das Kultusministerium sieht sich außerstande, "die Lehrerschaft langfristig demografiefest zu machen", heißt es weiter. Laut der Analyse sind in den westdeutschen Flächenländern 31 Prozent der Lehrer unter 40 Jahre alt. In Sachsen hält diese Altersgruppe nur elf Prozent, dafür ist mehr als die Hälfte über 50 Jahre alt.

Mit diesem Problem stehe Sachsen nicht allein. "Alle Kultusministerien der neuen Bundesländer sehen die langfristige Bedarfsdeckung im nächsten Jahrzehnt als nicht gesichert an", heißt es in dem Papier. Die sächsischen Lehrer seien im Schnitt deutlich älter als die Mitarbeiter aus Justiz, Hochschulen und Polizei. Bis 2030 gehen demnach 83 Prozent aller Beschäftigten an den öffentlichen Schulen in Rente. Um das Stellenniveau annähernd zu halten, heißt es, müssten jährlich 1600 Lehrer eingestellt werden. Was aber schon allein wegen der Demografie kaum gelingen könne.

Auf Seite 17 der Analyse folgt schließlich die Abrechnung mit dem Bildungspaket. Das hatte Wöller im Dezember 2011 zusammen mit den Koalitionsspitzen von CDU und FDP strahlend präsentiert. Dann aber schimpften Opposition und Verbände über das Werk - und Wöller schwenkte um. Die vorgesehenen 2.200 Einstellungen bis 2015 entsprechen laut der Studie gerade mal den freiwerdenden Stellen. Zusätzlich müsse das Kultusministerium aber das 200 Millionen Euro teure Bildungspaket zur Hälfte aus dem eigenen Etat bestreiten. Weil aber Kürzungen im Sport, in der Weiterbildung oder beim Schulhausbau kaum geräuschlos machbar wären, müsse an Lehrern gespart werden. Die Folge wäre trotz der 2.200 Einstellungen "ein unterrichtswirksamer Arbeitsvermögensverlust von 622 Stellen". Dem gegenüber stehen 15.000 mehr Schüler, die das Ministerium für 2020 erwartet.

Gegen Kürzungen im eigenen Geschäftsbereich wehrt sich Wöller am Ende der Analyse: Alle zu treffenden Maßnahmen seien in einem Schulsystem mit 32.525 Beschäftigten, die 373.346 Schüler unterrichten "nicht geräuschlos zu organisieren". Falls doch, würde Sachsen "seine Spitzenposition bei der Bildung verlieren".

Christine Keilholz