Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 17.04.2012
Rutsche in die Armut
Keine Frage: Über die Jahre hat sich der Arbeitsmarkt in vielerlei Hinsicht gewaltig verändert. Das spiegelt beispielsweise die Kluft der Einkommen. Auch eine zunehmende Instabilität der Arbeitsverhältnisse - hauptsächlich verursacht durch Zeit- und Leiharbeit - sind ein Zeichen dafür. Verändert wurde diese Architektonik in erster Linie zuungunsten der Arbeitnehmer.
Neueste Zahlen des DGB sind ebenfalls ein zusätzlicher Beleg dafür: Der Anstieg der Arbeitslosen, die direkt vom Job-Aus in die Armutsfalle Hartz IV rutschen, war in den vergangenen Jahren drastisch. 2011 wurde jeder vierte Arbeitslose ohne Umschweife Hartz-IV-Empfänger. Zumeist trifft es Geringqualifizierte und Leiharbeiter.
Selbst wenn die Bundesregierung die Zahlen als positive Entwicklung interpretiert, weil Bewegung im Arbeitsmarkt sei: Für kurzzeitig Beschäftigte sollten die aktuellen Regelungen der Arbeitslosenversicherung ein kleines bisschen modifiziert werden. Denn beim Job-Verlust darf sich nichtnur die Perspektive bieten, bald wieder Arbeit zu finden - diese sollte zumindest von einer individuellen Auffangmöglichkeit flankiert sein.
Kommentar von Thomas Schmitt
Jeder vierte Arbeitslose rutscht direkt in Hatz IV.
Von der Leyens Behörde lobt diese Entwicklung.
BERLIN- Erst Job weg, dann direkt in Hartz IV -immer mehr Menschen droht dieses Schicksal. Zwischen 2008 und 2011 lag der Zuwachs nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bei 18,7 Prozent. Das Arbeitsministerium sieht darin eine durchaus positive Entwicklung.
Der Grund für den Absturz in die Grundsicherung: Die Betroffenen waren innerhalb der letzten zwei Jahre vor ihrer erneuten Arbeitslosigkeit nicht mindestens zwölf Monate lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Während 2008 noch 621 000 Menschen diese Voraussetzung nicht erfüllten, waren es 2011 bereits gut 736 800.
Jedervierte neue Arbeitslose wurde dernnach 2011 sofort Hartz-IV-Empfänger - vier Jahre zuvor war es nur jeder fünfte, geht aus dem DGB-Positionspapier hervor. Betroffen sind meist Geringqualifizierte und Leiharbeiter.
„Die soziale Sicherungsfunktion der Arbeitslosenversicherung nimmt stetig ab", sagte DGB-Experte Wilhelm Adamy (62).
Für Anbeitsministeriums Sprecher Jens Flosdorff wird in den Zahlen dagegen eine positive Entwicklung sichtbar: Auch Langzeitarbeitslose mit geringer Qualifikation fänden inzwischen Arbeit, hätten aber natürlich auch ein größeres Risiko, wieder in Hartz IV zurückzufallen. „Das zeigt, dass Bewegung im Arbeitsmarkt ist, und das ist gut", sagte der Sprecher der Behörde Ursula von der Leyens (53, CDU).
Die Regel „Ein mal Hartz IV - immer Hartz IV" gelte so nicht mehr, sagte Flosdorff. Allerdings nähere man sich nun „dem harten Kern der Langzeitarbeitslosigkeit. Der DGB fordert wie SPD und Grüne, für die zunehmende Zahl kurzfristig Beschäftigter die Hürden in der Arbeitslosenver'sicherung abzusenken.