Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.01.2014

NPD hadert mit ihrem Ex-Chef

 
Die Partei prüft Vorwürfe, wonach Holger Apfel Mitstreiter belästigt haben soll. Er kämpft um sein Landtagsmandat.

Die NPD-Landtagsfraktion im sächsischen Parlament und ihr im Dezember 2013 überraschend zurückgetretener Fraktionsvorsitzender Holger Apfel kommen vorerst nicht voneinander los. Zwar hat der 43-Jährige seinen Chefposten im Dresdner Landtag ebenso wie den Bundesvorsitz in der Rechtspartei aufgegeben und war am Heiligabend aus der NPD ausgetreten. Offiziell ist der Landtagsabgeordnete aber weiter Mitglied der NPD-Fraktion.

Wie der Landtag bestätigt, liegt bisher weder eine Austrittserklärung von Apfel noch ein Beschluss der NPD-Fraktion über dessen Ausschluss vor. Formal gelten damit beide zerstrittene Seiten immer noch als vereint. Das hat für die NPD-Fraktion ganz nebenbei den Vorteil, dass sie für Apfel zunächst weiterhin eine monatliche Pauschale von gut 2.500 Euro kassiert, die der Fraktion für jedes einzelne Mitglied zusteht.

Doch nicht nur organisatorisch hakt es bei der einst eilig angekündigten Trennung zwischen der NPD und ihrem langjährigen politischen Führer. Während Apfel über die Feiertage bereits seine persönlichen Sachen aus den Fraktionsräumen geholt hat, quälen sich seine früheren Mitstreiter nun immer mehr mit der Aufarbeitung der unappetitlichen Affäre. Dass Apfel im Dezember wegen einer angeblichen „Burn out“-Erkrankung alle Reißleinen gezogen hat, davon ist kaum noch die Rede. Vielmehr bestätigte die Fraktion gestern, dass man Gerüchten wegen der vermeintlichen Belästigung von zwei jungen Männern durch den früheren NPD-Spitzenkader Holger Apfel nachgeht. Der eine Vorfall soll sich 2008 in Gröditz, der andere während der sogenannten Deutschland-Tour der NPD im vergangenen Jahr zugetragen haben. Vorsichtshalber wird hinzugefügt, dass man von weiteren Übergriffen keinerlei Kenntnis habe. Für Ende des Monats wird der Bericht einer parteiinternen Untersuchungsgruppe in Aussicht gestellt. Es darf aber bezweifelt werden, dass diese wirklich alle Details des vermuteten Fehlverhaltens von Apfel restlos aufklärt.

Tatsächlich ist der Ton der NPD gegenüber dem abtrünnigen Apfel plötzlich moderater geworden. Längst hat die verbliebene Führungsspitze erkannt, wie sehr ihr der Fall nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch beim eignen Klientel schadet. Zudem geht es weiterhin um Apfels Landtagsmandat. Die NPD-Fraktion hat ihren Ex-Chef bisher vergeblich aufgefordert, das Mandat freiwillig aufzugeben. Der gestern neu gewählte Fraktionschef Johannes Müller soll Apfel nun persönlich zum Verzicht bewegen. Gerüchte, dass die NPD notfalls auf Druck und Drohungen setzen will, bezeichnet die Fraktion als „absurd“. Tatsächlich geht es zunächst besonders für Apfel um viel Geld. Sein Mandat sichert ihm noch bis zur Landtagswahl im August Monatseinkünfte von gut 5.100 Euro. Danach kann er zwölf Monate mit einem Übergangsgeld für Ex-Abgeordnete in der gleichen Höhe rechnen, bevor der Geldfluss aus der Steuerkasse für ihn versiegt.

Für die NPD-Fraktion geht es wiederum um Einfluss und Posten. Von Apfels Mandatsrückgabe könnte nämlich Landeschef Holger Szymanski profitieren. Er wäre der mögliche Nachrücker ins Parlament, falls ein vor ihm auf der Landesliste platzierter 79-jähriger Kamerad aus Leipzig verzichten sollte. Szymanski – im eigenen Lager nicht unumstritten – würde das enorm helfen, wenn die NPD im Frühjahr ihre Kandidatenliste für die Landtagswahl 2014 beschließen muss. Längst wird um die raren Plätze hart gerangelt. Ambitionen werden diesmal auch einflussreichen Rechtsaktivisten wie Maik Scheffler aus Nordsachsen nachgesagt. Viele der bisherigen NPD-Abgeordneten müssen daher um eine erneute Nominierung zittern. Nach der Apfel-Affäre, die alle parteiinternen Hierarchien ins Wanken bringt, gelten nun aber nur noch Johannes Müller oder NPD-Vize Mario Löffler als gesetzt, andere wie Andreas Storr oder Jürgen Gansel dagegen als ersetzbar.

von Gunnar Saft