Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 11.02.2014
Sachsen: Gegner von Schwarz-Grün gibt auf
Grünen-Politiker Johannes Lichdi tritt nicht wieder zur Landtagswahl an. Er wähnt Partei und Fraktion auf dem falschen Kurs.
Dresden - An Rivalen hat es diesem Grünen-Politiker noch nie gefehlt. Seit Herbst 2004 bringt Johannes Lichdi im Landtag vor allem, und das auch sehr gern, die CDU-Kollegen regelmäßig in Rage. Für ähnliche Gefühlslagen sorgt der scharfzüngige Redner mit gelegentlich überbordendem Temperament aber nicht nur beim politischen Gegner. Ab Herbst 2014 müssen sich jedenfalls auch ein paar Grüne - falls die Partei den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafft - ein neues Feindbild im Landtag suchen: Lichdi tritt zur Wahl am 31. August nicht wieder an, wie der 50-Jährige gestern der "Freien Presse" bestätigte.
Seine Begründung dafür darf als Eingeständnis seines Scheiterns im eigenen Lager gelten. Dort verspürte der langjährige Verfechter einer rot-rot-grünen Alternative im seit 1990 CDU-regierten Sachsen zuletzt nur noch wenig Rückhalt. Fest macht er das vor allem an der anhaltenden Machtfülle von Fraktionschefin Antje Hermenau. Die 49-Jährige darf die Grünen - wenn auch nur noch als Teil einer Doppelspitze mit Parteichef Volkmar Zschocke - wieder als Spitzenkandidatin in die Wahl führen. Aus Lichdis Sicht hätte sie schon im Frühjahr 2012 abgewählt gehört, nachdem sie ein von ihm als "peinlich" bezeichnetes, allgemein als schwarz-grünes Signal gewertetes Doppel-Interview mit CDU-Fraktionschef Steffen Flath gab.
Seiner Partei hält Lichdi vor, dass sie Hermenau auch das Verfehlen sämtlicher Grünen-Ziele bei den Verhandlungen zur "Schuldenbremse" durchgehen ließ - und dass der Parteitag im November ausdrücklich keine Koalition mit der CDU ausschloss. "Fraktion und Partei folgen der Fraktionsvorsitzenden Hermenau auf ihrem klaren Schwarz-Grün-Kurs" , schlussfolgert Lichdi daraus. "Für einen solchen Kurs stehe ich nicht zur Verfügung."
Den hält er auch strategisch für riskant, weil zu viele Grünen-Wähler verprellt werden können. "Jetzt droht wie schon 1994 wegen des faktischen Wahlziels Schwarz-Grün der Rausschmiss aus dem Landtag" , warnt Lichdi. Vor 20 Jahren hatten die Grünen nur 4,1 Prozent erreicht. Erst zehn Jahre später schafften sie es wieder in den Landtag - mit Spitzenkandidatin Hermenau. Sie führte ihre Partei auch 2009 wieder in die Wahl, 6,4 Prozent kamen heraus. Seitdem seien Sachsens Grüne "unfähig zu einer ernsthaften strategischen Debatte" , moniert Lichdi. Er klagt über eine "Verkümmerung der innerparteilichen Diskursfähigkeit" und auch darüber, dass "die maßgeblichen Kräfte in der Partei meinen Politikstil der klaren Opposition und der Markierung der fundamentalen Unterschiede grüner zur herrschenden Politik nicht wünschen" .
Lichdi legt ab sofort seine Fraktionsposten als Sprecher für Klima-, Energie- und Rechtspolitik nieder, damit sich bis zur Wahl andere profilieren könnten. Ab Herbst will sich der Anwalt verstärkt um seine Kanzlei kümmern. Zumindest den Dresdner Grünen bleibt er verbunden: Im Mai tritt er zur Stadtratswahl an.
Von Tino Moritz