Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 17:48 Uhr, 19.06.2014

Verantwortliche verteidigen Schutz für Neonazis im Landtag - Kritik

 
Eine zeitweilige Zuflucht für Neonazis im sächsischen Landtag sorgt weiter für Diskussionen. Für die Opposition gibt es viele offene Fragen. Die Verantwortlichen rechtfertigen ihr Handeln.

Dresden (dpa/sn) - Die Spitzen von Landtag und Innenministerium in Sachsen haben die umstrittene Einquartierung von Rechtsextremen zu deren Schutz im Parlamentsgebäude verteidigt. Die Entscheidung sei richtig gewesen, erklärte Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Donnerstag in Dresden. Das Handeln der Sicherheitskräfte sei das Beste gewesen, was man in dieser Situation habe machen können, ergänzte Landtagspräsident Matthias Rößler. Er sprach von einem «dramatischen Geschehen» und einer «Notsituation». Ulbig verwies auf die Schutzverpflichtung der Polizei. Vertreter der Opposition äußerten Zweifel, weil es widersprüchliche Angaben der Polizei zum tatsächlichen Ausmaß der Gefährdung.

Am Dienstag waren rund 40 Rechtsextreme nach einer Kundgebung vor dem Dresdner Haus der Presse in Begleitung der Polizei zum Landtag gelaufen, weil in der dortigen Tiefgarage ihre Autos standen. Da ein Betreten der Garage wegen einer Überzahl an Gegendemonstranten zu riskant erschien, wurden die Neonazis nach Absprache zwischen der Polizei und dem Sicherheitsbeauftragten des Parlamentes in das Gebäude gelassen. Auf diese Weise habe man deeskalieren wollen, hieß es. Die Polizei hatte zuvor widersprüchliche Angaben zur konkreten Gefährdungslage gemacht. Auf dem Platz vor dem Parlament hatten etwa 25 Beamte gut 100 Gegendemonstranten gegenübergestanden, darunter etwa 40 bekannte Gewaltbereite.

Die Opposition im Landtag hatte die Aufnahme der Rechtsextremen als Skandal bezeichnet und die Würde des Hauses verletzt gesehen. Rößler sah am Donnerstag die Würde dagegen von jenen verletzt, die das Geschehen ausgelöst hätten. Nach einer ersten Sondersitzung des Parlamentspräsidiums am Mittwoch folgte am Donnerstag eine neuerliche Runde. Dabei ließ sich das Präsidium von Ulbig den Hergang des Geschehens aus polizeilicher Sicht erläutern. In der kommenden Woche soll es außerdem eine Sondersitzung des Innenausschusses zu diesem Thema geben.

SPD-Fraktionschef Martin Dulig empfand den Vorgang auch am Donnerstag als «ungeheuerlich». Sachsen könne ein solches Image nicht gebrauchen. «Die SPD-Fraktion sieht auch nach der heutigen Präsidiumssitzung noch weiteren Aufklärungsbedarf», betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Stefan Brangs. «Unsere Fragen betreffen sowohl das Einsatzkonzept der Polizei, die konkrete Lage vor dem Landtag, aber auch die Verantwortlichkeiten im Landtag selbst. Da sind Fragen offen geblieben.»

Ähnlich äußerten sich Linke und Grüne. Es gebe «eklatante Widersprüche» bei Aussagen der Polizei zur Gefährdungslage auf dem Vorplatz des Landtages, erklärte Linksfraktionschef Rico Gebhardt. Grünen-Politikerin Eva Jähnigen schilderte ihre Eindrücke von der zweiten Sondersitzung des Landtagspräsidiums: «Wenig war dazu zu vernehmen, wie die Würde des Landtags in Zukunft vor Nazi-Demonstranten geschützt werden kann. Wer keine Fehler eingestehen will, dem fehlt wohl dafür die notwendige Sensibilität.»

Nach Ansicht der FDP ist den Verantwortlichen kein Vorwurf zu machen. Die Teilnehmer der NPD-Kundgebung im Landtag in Sicherheit zu bringen, sei offenbar das einzige verbliebene Mittel gewesen, eine Eskalation der Gewalt zu unterbinden, sagte Torsten Herbst, Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion.

Jörg Schurig 

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