Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 10.07.2014

Sachsen: Wer will mitregieren?

 
Teile der Opposition hoffen auf einen Platz im Kabinett. Ministerpräsident Tillich erklärt derweil den Erfolg Sachsens.

Stanislaw Tillich hat gut lachen. Die Kritik an seiner gestrigen Regierungserklärung im Landtag fällt überwiegend kleinlaut aus. Das könnte daran liegen, dass Grüne und vor allem die SPD nach der Wahl einen Vertreter aus ihren Reihen neben Tillich auf der Regierungsbank platzieren wollen.

Da hat es ihn dann doch gepackt. Der Applaus von CDU- und FDP-Abgeordneten nach der Regierungserklärung von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ebbt lange nicht ab. Selbst eine La-Ola-Welle durchs halbe Landtagsrund ist denkbar. Als das Klatschen schließlich leiser wird, setzt SPD-Mann Karl Nolle an. Von hinten schmettert er ein dreifach-donnerndes „Hurra, Hurra, Hurra“ in den Saal.

Der ironische Zwischenruf wirkt wie der Nachhall aus einer vergangenen Zeit. Einer, in der sich die Opposition scharfzüngig gab, die Kontroverse suchte, Alternativen formulierte. Als einer wie Nolle in Untersuchungsausschüssen die CDU mit Filzvorwürfen vor sich hertrieb.

Einen Monat vor der Landtagswahl ist diese Zeit längst vorbei. Der Ruf von Nolle – der 69-Jährige kandidiert nicht wieder – markiert so etwas wie den verspäteten Schlussakkord. Jetzt, scheint es, ist die politische Kultur der soften Töne gewollt.

Wer neben der Union an die Macht will, soll loben, nicht granteln. Der vorletzte Sitzungstag des 2009 gewählten Parlaments beginnt mit einem Rückblick Tillichs: „Es waren fünf gute und erfolgreiche Jahre.“ Der Ministerpräsident baut, wie es seine Art ist, die Rede besonnen auf, spricht ruhig, agiert sachlich. In 45 Minuten skizziert er eine sächsische Erfolgsgeschichte.

Er spricht von der „Fischelanz“ der tüftelnd-tüchtigen Sachsen, davon, dass mittlerweile 100.000 Menschen weniger arbeitslos sind als zu Beginn der Legislatur. Konzerne investieren im Freistaat. Hochschulen sind exzellent.

Deutlich mehr als 1.000 Lehrer sollen jährlich eingestellt werden. Der Kabinettschef stellt weitere Mittel für Kitas in Aussicht und spricht vom Geld, das für Polizei, Kultur und den ländlichen Raum fließt. Tillich weiß: „Die Menschen bleiben da, wo Schule und Geschäft, wo Rathaus und Kirche, wo Arzt und Haltestelle sind.“

Unter Ausnahme der NPD dankt der Ministerpräsident sogar der Opposition. Zuvor allerdings warnt er davor, den Freistaat schlechtzureden. Die Mahnung kommt ganz offensichtlich an.

SPD-Fraktionschef und Spitzenkandidat Martin Dulig wählt den staatsmännisch-pathetischen Stil für seine Erwiderung. Er erzählt vom erfolgreichen Unternehmer, der mittlerweile 200 Beschäftigte in seiner Dresdner Softwarefirma hat. Er sagt Sätze wie: „Wir brauchen eine starke Wirtschaft, die das erwirtschaftet, was wir verteilen.“ Natürlich erwähnt Dulig auch lange Schulwege, überlastete Erzieher, steigende Mieten. Aber Etliches in seiner Rede könnte auch von Tillich stammen. Zitat: „Und die Menschen sind trotz zahlreicher Sorgen mehrheitlich recht zufrieden.“

Auch Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau schlägt einen moderaten Grundton an. Sie kritisiert zwar den Braunkohleabbau und bemängelt eine zu geringe wirtschaftliche Dynamik in Sachsen. Der Freistaat bleibe unter seinen Möglichkeiten. Doch Lob folgt. Tillich sei kein Raubein, engagiere sich erfolgreich für die Chipindustrie und habe zumindest am Anfang der Legislatur den Aspekt der Solidarität in seiner Politik betont.

Die Wahlkampfstrategen liebäugeln mit dem Wohlfühlfaktor. Ein Erfolg wie die soliden Finanzen soll betont, zu derber Oppositionsunmut vermieden werden. Heftige Kritik, so das Kalkül, nervt die Wähler. Dazu kommt: Sowohl SPD als auch Grüne machen sich Hoffnungen, mit der CDU regieren zu können. Sie versuchen den Spagat, sich so anzubieten, dass es nicht allzu offenkundig wirkt.

Die Union mit Spitzenkandidat Tillich liegt in Umfragen bei deutlich mehr als 40 Prozent. Partner FDP könnte demnach die Fünf-Prozent-Marke verfehlen. Fraktionschef Holger Zastrow glaubt das nicht. Aus Sachsen sei „richtig was geworden“.

Ein Bündnis ohne die CDU scheint jedenfalls unwahrscheinlich. Dafür aber wirbt Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt. „Rot-Rot-Grün ist wegweisend für Deutschland.“ Doch die Umworbenen klatschen nicht. Und auch in seiner Partei ist die Position umstritten, wollen doch einflussreiche Linke nicht in die Regierung.

Oppositionsführer Gebhardt hält eine starke Rede, beklagt niedrige Sozialstandards wie geringe Eingliederungshilfen für Behinderte, die „planvolle Schrumpfung“ bei der Polizei, den rüden Umgang mit Beamten und den Personalschlüssel bei Kitas. Es sei zwar „nicht alles schlecht“ gewesen. Doch: „Die CDU hat fertig.“ Der Applaus seiner Fraktion ist allenfalls höflich. Mehrere Abgeordnete verweigern ihn sogar.

Von Thilo Alexe