Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 27.08.2014
Unbequem bis zum Schluss: Der SPD-Aufklärer Karl Nolle tritt ab
Nach der Wahl verlässt der 69-Jährige den Landtag
Dresden. Es war eine Nachricht, die keinen im Dresdner Politik-Betrieb ernsthaft in Erstaunen versetzt hat. Karl Nolle, SPD-Abgeordneter seit 1999, verabschiedet sich aus der Landespolitik. In seinem Wahlkreis im Dresdner Osten tritt ein anderer an, der 69-jährige Nolle hat es erst gar nicht mehr versucht. "Irgendwann muss man mit dem Aufhören anfangen", hat er zur Erklärung gesagt - was heißt: Für ihn, den "ewigen Juso", ist es halt jetzt soweit. Im Kern aber, und das gilt als offenes Geheimnis in Dresden, ist der Ex-Druckereibesitzer reichlich ernüchtert und geschäftlich ruiniert.
Gründe dafür gibt es einige im Leben des Karl Nolle. Angefangen bei seiner eigenen Partei, der SPD, mit der er oft genug über Kreuz lag; dann die Empörung über das Vorgehen der Dresdner Justiz und den Mangel an Opposition im Freistaat; und zuletzt auch gesundheitliche und finanzielle Sorgen. Doch wer den Dreizentner-Mann heute in seiner Wohnung im Dresdner Stadtteil Striesen besucht, merkt schnell: Nolle mag ja frustriert sein, gebrochen aber ist er nicht. "Ich bereue es nicht, so gehandelt zu haben", sagt er - und man kann sicher sein, dass er das genauso meint.
Mit Nolle verlässt ein politisches Schwergewicht die Landtagsbühne, der wie kaum ein anderer die Stimmung und den politischen Aufklärungsanspruch im Freistaat geprägt hat. Nolle konnte austeilen, heftig und ohne Rücksicht auf Verluste. Alle hat er aufs Korn genommen, kaum einen geschont: Ob "König Kurt" Biedenkopf, Georg Milbradt oder Stanislaw Tillich (alle CDU) - jeder Regierungschef seit der Wende hatte seine liebe Not mit dem SPD-Aufklärer. Und man kann ohne allzu große Übertreibung festhalten: Biedenkopf und Milbradt sind unter eifriger Mitwirkung von Nolle zum Rücktritt gezwungen worden.
Das hat ihn reichlich unbeliebt gemacht, bei manch einem Sozialdemokraten von der staatstragenden Fraktion, vor allem aber in der dauerregierenden CDU. Endgültig zu spüren bekam das Nolle aber erst 2009. Grund waren seine Attacken gegen CDU-Spitzen, die schon zu DDR-Zeiten Karriere in Blockparteien gemacht hatten, davon aber nicht mehr allzu viel wissen wollten. "Sonate für Blockflöten und Schalmeien" lautete das Werk - als kleines "Weihnachtsgeschenk für die sächsische Union", wie er süffisant meinte.
Vor allem aber versuchte Nolle auf 330 Seiten den amtierenden Regierungschef Tillich anzuzählen. Schließlich hatte er das 2001/2002 mit Biedenkopf und in den Folgejahren mit Milbradt auch so gemacht. Seine Durchschlagskraft damals war enorm, zumal Nolle Unterstützer in der Union hatte: "Die Milbradt-Anhänger haben mich gegen Biedenkopf gespickt und die Biedenkopf-Anhänger gegen Milbradt", sagt Nolle. Doch bei Tillich lag der Fall anders. Im Gegensatz zu Biko oder dessen ungeliebtem Nachfolger Milbradt stand die Sachsen-CDU diesmal geschlossen hinter ihrer Führungsfigur.
Das wurde Nolle zum Verhängnis. Kritisiert in eigenen SPD-Reihen, beäugt von einer zunehmend genervten Öffentlichkeit und unter Dauerbeschuss von der aufgebrachten Union musste Nolle an nahezu allen Fronten gleichzeitig kämpfen - und zog schließlich den Kürzeren. Den finalen Hebel dafür aber lieferte die Staatsanwaltschaft Dresden. Der Vorwurf: Der Druckerei-Besitzer habe Subventionsbetrug begangen, weil er eine Druckmaschine erst Anfang 2006 in Betrieb genommen, dafür aber bereits 2005 Fördergelder erhalten hatte.
Von diesem Anfangsverdacht ist zwar am Ende nicht mehr allzu viel übrig geblieben, für den Unternehmer aber bedeutete er dennoch das Aus. Grund: Nachdem die CDU-geführte Staatskanzlei Nolles Auftraggeber geoutet hatte, sprangen diese ab. Der SPD-Mann erhielt keine Aufträge mehr. Drei Insolvenzen hat er seitdem hinter sich, Druckerei und Immobilie verloren. Das Einzige, das ihm geblieben ist, ist seine Wohnung - bisher. Denn offen ist noch ein viertes Verfahren, die Privatinsolvenz.
Von Jürgen Kochinke