Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 27.08.2014
Abschied eines Unbequemen - Karl Nolle tritt nicht wieder zur Landtagswahl an.
Mit dem 69-Jährigen geht einer der prägendsten sächsischen Politiker der vergangenen Jahre.
Dresden — Im Jahr 2005 hat der Abgeordnete Heinz Lehmann vorgeschlagen, ein Atomkraftwerk an der Neiße zu errichten. Den Eintrag in die Geschichtsbücher hat sich der Unionsmann, der seit 1990 im Landtag sitzt, aber vermutlich erst mit seiner zweiten Großtat verdient: Im April 2009 stellte er eine Kleine Anfrage, die den Anfang vom Ende des größten Widersachers der Sachsen-CDU einläutete – Karl Nolle.
Karl Nolle, 2011 an einer historischen Druckpresse
Foto: Ronny Rozum/Archiv
Der SPD-Abgeordnete hatte seit seinem Einzug in den Landtag 1999 einiges dafür getan, um sich in der Union allerhand Feinde zu bescheren. Sein Grünen-Kollege Johannes Lichdi würdigte ihn kürzlich als denjenigen, der „die Anmutung dessen, dass eine Opposition in Sachsen überhaupt möglich ist“, in die Öffentlichkeit getragen habe. Tatsächlich bekam es die regierende CDU durch Nolle plötzlich mit unbequemen Anfragen zu tun. Der gebürtige Niedersachse, der Anfang 1990 als Unternehmer nach Dresden gekommen war, bohrte in fünf Untersuchungsausschüssen nach.
Nach und nach erarbeitete sich Nolle den Ruf des „Chef-Aufklärers“, der immer wieder an besonders brisante Informationen kam. Zum Verhängnis wurde das einer ganzen Reihe von Leuten, darunter ein Olympia-Staatssekretär und gleich zwei Ministerpräsidenten, Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt. Bedient wurde er damals auch von CDU-Leuten: „Die Milbradt-Anhänger haben mich gegen Biedenkopf gespickt, und die Biedenkopf-Anhänger gegen Milbradt.“ Aber selbst in der SPD stieß sein Kurs nur auf wenig Gegenliebe – Nolle weiß noch genau, welche Genossen am Wahlabend 2009 zu früh jubelten, weil sie dachten, er verfehlt den Wiedereinzug in den Landtag. Aber letztlich kam Nolle doch noch rein, und zwar ausgerechnet deshalb, weil die CDU so viele Wahlkreise holte und der SPD ein Ausgleichsmandat zustand.
Kurz zuvor – Nolle stand gerade vor Veröffentlichung seines Buches über DDR-„Blockflöten“ um Milbradts Nachfolger Stanislaw Tillich – war er bereits als Unternehmer in die Defensive geraten. Nicht nur, dass die Staatskanzlei nach Lehmanns Kleiner Anfrage ausführlich auflistete, welche Aufträge Nolles 70-Mann-Druckerei von welchen Ministerien bekommen hatte. Zugleich wurden auch noch Ermittlungen wegen Subventionsbetrugs bekannt. Den hat es wohl nie gegeben, die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen im Herbst 2010 gegen eine Zahlung von 7000 Euro ein. Das Finanzgericht Leipzig urteilte zwar 2011 zugunsten von Nolle. Aber das kam zu spät, sein Leumund als Unternehmer war dahin und die Druckerei so gut wie am Ende, nachdem selbst Stammkunden abgesprungen waren.
Gemeinsam mit seiner Frau Christl ist er davon überzeugt, dass das von ihm attackierte System zurückgeschlagen hat – „auf ganz sublime Art“. Der Pleite seiner Druckerei könnte demnächst auch noch seine private Insolvenz folgen. „Das einzige, das mir und meiner Frau geblieben ist, ist die Wohnung.“ Der Kampf in eigener Sache hat ihn viel Kraft und Zeit gekostet, im Landtag gab es zuletzt nur noch selten den alten Nolle zu erleben. Aber gebrochen ist der 69-Jährige nicht. „Ich habe nichts zu bereuen.“
Von Tino Moritz