Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 22.09.2014
Paukenschlag bei den Grünen
Die Grünen sind mal wieder auf der Suche nach sich selbst. Alte zugeschüttet geglaubte Gräben zwischen Realos und Fundis brechen wieder auf, erschüttern die Partei wie lange nicht mehr. So machte ausgerechnet der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, den Weg frei für die schwarz-rote Asylrechtsänderung. Er nahm sich die Freiheit, seinem Gewissen zu folgen. Politische Verantwortung rangiert für ihn zu Recht vor der Einhaltung allgemeiner grüner Glaubensgrundsätze. Als Realpolitiker war ihm klar, dass ein Kompromiss meist besser ist als Stillstand. Damit aber löste der 66-jährige Vorzeige-Grüne in seiner Partei ein Erdbeben aus.
Die sächsischen Grünen trifft nun ein weiterer Schlag. Die kampferprobte Vorzeigefrau Antje Hermenau hat enttäuscht das Handtuch geworfen, weil der Landesverband ihr nicht folgen will auf dem Weg der schwarz-grünen Annäherung. Es ist bedauerlich, dass kein Kompromiss gefunden wurde sie zu halten, auch wenn es die Basis in eine andere Richtung drängt. Schließlich ersetzt kein noch so beschworener Teamgeist fehlende charismatische Köpfe. Mit denen ist die Partei nicht gerade reich gesegnet, in Sachsen wie auch bundesweit. Hermenau hat den Grünen im Freistaat Gesicht und Stimme gegeben, mit ihren wortgewaltigen Auftritten im Landtag klar Stellung bezogen für eine Energiewende, für Freiheitsrechte und gegen Neonazis. Sie hinterlässt große Schuhe, in die das neue Führungsduo Volkmar Zschocke und Claudia Maicher nicht so schnell hineinwachsen wird. Hermenaus Weggang ist ein Paukenschlag und Anlass für die Grünen, nicht nur über Weg und Ziel, sondern auch über Anspruch und Wirklichkeit in den eigenen Reihen nachzudenken.
Die Öko-Partei wäre schlecht beraten, reagierte sie auf die mangelnde Bereitschaft der sächsischen CDU zu Zugeständnissen in den Sondierungsgesprächen, etwa bei der Braunkohle, mit einem Rückzug in die linke Schmollecke. Damit würden sich die Grünen Optionen verbauen, weitere liberale, bürgerliche Wählerschichten zu gewinnen, die mit dem Niedergang der FDP eine neue politische Heimat suchen. Die sind nicht zu locken mit Verboten, etwa von Heizpilzen und Billigflügen, oder Vorschriften wie dem Veggie Day. Ebenso erschweren die oft sehr dirigistischen Vorstellungen von Umwelt- und Wirtschaftspolitik die Kompromissfindung mit anderen Kräften, für die die Freiheit der Fledermaus eben erst nach der nötigen Verkehrsanbindung oder Stromversorgung kommt.
Auch der Weg der Thüringer Grünen, die eher auf ein Zusammengehen mit Linken und SPD als auf die Unterstützung einer CDU-geführten Regierung setzen, ist nicht unproblematisch. Für diejenigen, die sich als Bürgerbewegte einst bewusst für die Bündnisgrünen als Gegenentwurf zu SED-PDS entschieden haben, bedeutet das einen schweren Sprung über alte Schatten.
a.kecke@lvz.de
Leitartikel von Anita Kecke