Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 24.09.2014
Sachsen-Koalitionsverhandlungen - Überraschungs-Unterhändlerinnen
Heute beginnen CDU und SPD in Sachsen mit den Koalitionsverhandlungen. Einige Personalien sind durchaus aufschlussreich.
DRESDEN - Ab sofort darf in Annaberg-Buchholz wieder gezittert werden. Oberbürgermeisterin Barbara Klepsch hat ihrer Partei ja schon öfter Nein gesagt. So trat sie zuletzt eben nicht zur Landtagswahl an. Wenigstens hat sie sich vor einem Jahr zur stellvertretenden CDU-Landeschefin wählen lassen.
Damals hat sie zwar zugleich einen Wechsel nach Dresden ausgeschlossen - aber erstens können sich Umstände ändern und zweitens Parteichefs ziemlich hartnäckig sein. Klepsch hatte schon 2007 nach dem Wechsel von Sozialministerin Helma Orosz ins Dresdner Rathaus als Top-Favoritin auf einen Kabinettsposten gegolten. Aber erst jetzt ist sie tatsächlich öfter in der Landeshauptstadt zugegen: Die 49-Jährige gehört zur zwölfköpfigen "Koalitionsrunde" und damit zum alles entscheidenden Gremium für die Neuauflage von Schwarz-Rot.
Außer Klepsch entsendet die CDU heute, 11 Uhr, ausschließlich Männer ins Dresdner Ständehaus - also dorthin, wo bislang alle Koalitionsverhandlungen in Sachsen begannen. Es gibt sie ja nach dem Verlust der absoluten CDU-Mehrheit vor zehn Jahren auch erst zum dritten Mal. Sowohl 2004 bei der CDU/SPD-Premiere als auch 2009 bei Schwarz-Gelb war von den jetzigen Unterhändlern nur einer dabei: CDU-Chef Stanislaw Tillich. Sein Generalsekretär Michael Kretschmer - dessen Verbleib als Unions-Bundestagsfraktionsvize in Berlin längst geklärt ist - erlebt nach 2009 immerhin seine zweiten Sachsen-Koalitionsverhandlungen.
Für Landtagsfraktionschef Frank Kupfer ist das Aushandeln im Premium-Team dagegen Premiere, genauso für den Parlamentarischen Geschäftsführer Christian Piwarz - dessen parteiinterne Reputation damit zunehmen dürfte. Zudem sitzt für die CDU Finanzstaatssekretär Hansjörg König am Verhandlungstisch. Der war schon in den Sondierungen vor allem dazu da, ausgiebigen SPD-Wünschen mit höflichen Hinweisen auf Sachsens künftig sinkende Einnahmen zu begegnen.
Die Genossen werden sich davon aber vermutlich nicht sonderlich schrecken lassen. Ihr Sechser-Team enthält so ziemlich alle Trümpfe, die der 12,4-Prozent-Landesverband zu bieten hat: An der Seite von Verhandlungsführer Martin Dulig werden nicht nur Generalsekretär Dirk Panter, der Parlamentarische Geschäftsführer Stefan Brangs und die Landesvize und Ex-Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange sitzen, sondern auch die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig.
Die machte schon in den schwarz-roten Verhandlungen 2004 - als auch Dulig schon dabei war - eine gute Figur, wie es damals hieß. Dafür wurde Ludwig seinerzeit mit einem Ministerposten belohnt. Dieses Mal droht dieses Schicksal eher der 42-jährigen SPD-Sozialpolitikerin Dagmar Neukirch. Die Nominierung der gebürtigen Freibergerin darf mindestens als Bekenntnis der SPD zu ihrem Markenkern verstanden werden - und womöglich will Parteichef Dulig ja doch lieber Kultus- als Sozialminister werden.
Verteilt werden die Posten aber eh erst am Ende. Mitte Oktober soll der Vertrag unterschriftsreif sein, die Vorverhandlungen für die "Koalitionsrunde" übernehmen sieben Arbeitsgruppen. Die AG für Wirtschaft, Infrastruktur, Energie und Verkehr leitet auf CDU-Seite Fraktionsvize Thomas Schmidt. Heißen muss das freilich nichts. In den Verhandlungen zur Großen Koalition in Berlin führte Thomas de Maiziere die AG für Außenpolitik und Verteidigung - und wurde Innenminister.
Timo Moritz