Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 30.09.2014
Nur 58,4 Prozent - Matthias Rößler zum Landtagspräsidenten gewählt
Drei Abgeordnete von CDU oder SPD verweigern ihre Zustimmung / Kirmes patzt als Alterspräsident
Dresden. Gegen 14 Uhr trat Matthias Rößler (CDU) mit einem breiten Lächeln ans Rednerpult. Zum zweiten Mal war er gerade zum Landtagspräsidenten gewählt worden, was aber keine Überraschung war. Trotz einiger Kritik in den letzten Monaten konnte er sich auf gewichtige Fürsprecher in den Reihen der Union verlassen. Und so bedankte er sich für seine Wahl und versprach ein "unparteiischer, überparteilicher, gerechter, gewissenhafter" Präsident zu sein - "mit großem Engagement". Immer ansprechbar wolle er sein, gelobte er und legte sogar noch nach: "Bitte wenden Sie sich direkt an mich".
Rößlers Worte waren ein leiser Wink, dass er verstanden hatte. Denn als nahbaren Landtagspräsidenten hatten die Abgeordneten der vergangenen Legislatur den Amtsinhaber eher nicht erlebt. Rößler führte vielmehr ein, dass sich das Plenum erhebt, wenn er zu Beginn einer Sitzung zu seinem Präsidiumsplatz schritt. Manche Abgeordnete rollten darüber deutlich mit den Augen. Als dann Rößler im Juni bei der Aufarbeitung, wie Neonazis Schutz im Landtag finden konnten, das notwendige Fingerspitzengefühl vermissen ließ, war der Unmut mit Händen zu greifen.
Die 73 Stimmen, die der neue und alte Präsident gestern erhielt, waren deshalb als Mahnung zu verstehen. Gerade einmal 58,4 Prozent der Anwesenden gaben Rößler ihre Stimme. Bei seiner Wahl 2009 waren es immerhin rund 65 Prozent gewesen. Hinzu kommt, dass ihm diesmal auch einige Abgeordnete von CDU oder SPD die Zustimmung verweigert haben. Exakt drei Stimmen weniger erhielt Rößler, als die Bündnispartner der Zukunft Sitze im Parlament haben.
Nicht nur aus diesem Grund war es für die CDU, welche mit 59 Abgeordneten die größte Fraktion stellt, ein nicht vollends gelungener Nachmittag. Auch Alterspräsident Svend-Gunnar Kirmes (CDU), der die Sitzung leitete, machte nicht gerade eine allzu gute Figur. Im Gegenteil: Kirmes war die Nervosität deutlich anzumerken. Immer wieder verhaspelte er sich und musste von Abgeordneten korrigiert werden. Zum Schluss patzte er bei seiner wichtigsten Aufgabe an diesem Nachmittag, der Verkündung des Abstimmungsergebnisses: Statt der richtigen Anzahl von 73 Ja-Stimmen für Rößler verkündete Kirmes zunächst 43 Ja-Stimmen, bevor es Proteste aus der eigenen Fraktion gab. "Mein Versprecher ist meiner trockenen Zunge geschuldet", suchte er eine Entschuldigung.
Abseits der Tagesordnung war die konstituierende Sitzung für die sächsische Politik vor allem eine gute Gelegenheit, um sich zu inszenieren. Auffällig unbeteiligt saß beispielsweise die ehemalige Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Hermenau auf der Besuchertribüne. Auch der Ex-SPD-Parlamentarier Karl Nolle hatte sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, Abschied zu nehmen. Seine Parteifreunde hatten ihn aber nicht eingeladen, vielmehr folgte er einer Einladung von Klaus Bartl (Linke), mit dem er den "Sachsensumpf" aufgearbeitet hatte.
Eifrig setzte sich auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in Szene. Optimal für die Kameras plauschte er während der Stimmauszählung mit SPD-Fraktionschef Martin Dulig und dem Parlamentarischen Geschäftsführer Stefan Brangs (SPD). Alle drei lachten laut und amüsierten sich vor den Linsen der Fotografen königlich - schließlich möchten die Schwarzen und die Roten miteinander koalieren. Doch auch die Grünen wollte Tillich an diesem Nachmittag nicht vergessen. Mit dem Vorsitzenden der Grünen-Fraktion, Volkmar Zschocke, vertiefte er sich in ein entspanntes Vier-Augen-Gespräch. Wie hatte die CDU nach den schwarz-grünen Sondierungsgesprächen gesagt? Der Gesprächsfaden solle jetzt nicht abreißen. Zumindest Tillich hielt sich dran.
Matthias Rößler (CDU) ist 59 Jahre alt und hat als Politiker bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Während der Wende war er Mitglied im "Demokratischen Aufbruch", trat 1990 in die CDU ein. Dann ging es rasch aufwärts für den gelernten Ingenieur: Erst zog Rößler in den sächsischen Landtag ein, 1994 war er bereits Kultusminister unter Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU). Dessen Nachfolger Georg Milbradt (CDU) machte den selbstbewussten Meißener 2002 zum Wissenschaftsminister, um ihn aber schon zwei Jahre später aus dem Kabinett zu schmeißen. Seit 2009 ist Rößler Landtagspräsident und hat bisher vor allem repräsentiert, aber kaum politische Akzente gesetzt. Rößler ist evangelisch, verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
Von Jürgen Kochinke und Kai Kollenberg