Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 23.09.2014

Zehn Jahre klüger - CDU und SPD haben in Sachsen schon 2004 einen Koalitionsvertrag ausgehandelt.

 
CDU und SPD haben in Sachsen schon 2004 einen Koalitionsvertrag ausgehandelt. Die Fehler von damals sollen dieses Mal nicht wiederholt werden.

DRESDEN - Als Sachsens SPD-Chef Martin Dulig am vergangenen Freitag verkündete, dass sein Parteivorstand die Einladung der CDU zu Koalitionsverhandlungen soeben einstimmig angenommen hat, schickte er gleich noch eine freundliche Grußadresse an die alte, neue Partnerpartei hinterher. Die SPD werde „selbstbewusst, aber nicht arrogant" in die Gespräche gehen. „Wir müssen die Balance wahren zwischen dem, was wir wollen, und dem, was auch erreichbar ist." Vor allem gehe es um eine „Vertrauensgrundlage" für ein „mindestens fünf Jahre" währendes Bündnis, das nicht von Anfang an durch Misstrauen zersetzt sein dürfe: „Da haben wir auch am der Koalition gelernt, die 2004 schon mal war."

- Dulig weiß, wovon er redet, denn er saß schon bei den ziemlich zähen Verhandlungen vor zehn Jahren mit am Tisch - als 3o-jähriger Juso-Chef, der es gerade neu in den Landtag geschafft hatte. Dass SPD-Chef Thomas Jurk neben gestandenen Partei Größen wie Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee, der Chemnitzer Sozialbürgermeisterin Barbara Ludwig und Kanzleramtsminister Rolf Schwanitz auch den Jungspund Dulig mitnahm, dürfte sich spätestens jetzt auszahlen.

Auf CDU-Seite bewies auch Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt ein glückliches Händchen. Zwar haben sich mit ihm, Fraktionschef Fritz Hähle und CDU-Vize Steffen Flath drei Unterhändler inzwischen aus der Politik verabschiedet - und die anderen beiden, der damalige Justizminister Thomas de Maiziere und Ex-Generalsekretär Hermann Winkler, machen inzwischen in Bundesregierung und Europa-Parlament Karriere. Aber als Berater war 2004 auch der Staatskanzleichef immer mit dabei: Stanislaw Tillich. Schaden sollte es jedenfalls nicht, dass beide Anführer der Neuauflage schon bei der schwarz-roten Premiere vor zehn Jahren von Beginn an Erfahrung sammeln konnten und sich zuletzt auch nach der Bundestagswahl 2003 bei den Verhandlungen zur Großen Koalition in Berlin gelegentlich über den Weg liefen.

„Es geht um eine Vertrauensgrundlage.Wir haben
aus der Koalition von 2004 gelernt.” 
Martin Dulig

Ab jetzt werden die beiden ungleichen Parteichefs wohl noch etwas mehr Lebenszeit miteinander verbringen. In den nächsten Tagen sollen die Verhandlungen unter Führung von Dulig und Tillich beginnen. Anders als 2004 wird es einzelne Arbeitsgruppen geben, Details zu Fahrplan und Besetzung wollen CDU und SPD heute verkünden. So harmonisch wie zuletzt bei den Sondierungen wird es bei den Koalitionsverhandlungen nicht mehr zugehen.
 
„Die werden natürlich jetzt etwas härter laufen", sagte Dulig. Dass sich seine SPD nicht zu viele Hoffnungen machen soll, sendete CDU-Fraktionschef Frank Kupfer bereits als kaum versteckte Botschaft aus. Es werde „kein Wettrennen werden: Wer ist der bessere Weihnachtsmann, wer verteilt die größten Geschenke?" Kupfer erinnert an die sinkenden Aufbau-0st-Mittel und abnehmenden EU-Hilfen: „Das muss man bei allen Wünschen, die man hat, auch in den Koalitionsverhandlungen, immer mit einfließen lassen."
Inhaltlich besteht wohl vor allem bei den Themen Bildung und Arbeit Konfliktpotenzial  - dort jedenfalls habe es sogar schon bei den Sondierungen „am meisten geknirscht", räumte Dulig ein. Tillich wiederum ließ am vergangenen Freitag schon mal gucken, dass die Union als Reaktion auf die demografische Entwicklung eine „Hochschulstrukturreform" plane, um profilierte Einrichtungen zu schaffen: „Das ist ein Thema, was uns am Herzen liegt."

Vor zehn Jahren begannen die Verhandlungen am 28. September, fünfeinhalb Wochen später stimmten zwei Landesparteitage dem Vertrag zu. So schnell dürfte es nun nicht gehen, die SPD will dieses Mal alle Genossen befragen. Bewähren kann sich die künftige Koalition aber schon früher - bei der Bestätigung von Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) am nächsten Montag in geheimer Wahl. Bei seinem Amtsvorgänger Erich Iltgen war das 2004 kein Problem.

VON TINO MORITZ