Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 12.11.2014

Der Pfarrer, sein Lauti und die Demos

 
Das Verfahren gegen Lothar König mag beendet sein, doch so richtig glücklich ist mit dem Ausgang niemand.

Selbstgedrehte Zigarette, Rauschebart und Justitia im Rücken: Lothar König hat einer Einstellung seines Prozesses zugestimmt. Im Dezember kehrt er dennoch in das Dresdner Gericht zurück. Dann muss sich dort ein weiterer Angeklagter wegen Landfriedensbruchs verantworten.

Es ist der Tag nach der Einstellung. Lothar König steht an einer Tankstelle in Thüringen und füllt Sprit in seinen neuen Lauti. „Wir haben jetzt einen blauen“, sagt er, das Handy am Ohr, während das Benzin aus dem Zapfhahn sprudelt. Er meint das Auto. Der Lauti, das ist der VW Bus der Jungen Gemeinde Jena, Dienstfahrzeug des 60-jährigen Stadtjugendpfarrers König. Er ist seine rollende Einsatzzentrale, wenn die Junge Gemeinde mal wieder demonstriert. Dann stehen Lautsprecher auf dem Dach, Musik läuft, per Mikrofon kann Pfarrer König die Leute da draußen vor dem Laut auf dem Laufenden halten.

So wie am 19. Februar 2011 in Dresden. Auch da war der Pfarrer demonstrieren, kurvte mit dem Lauti zwischen aufgeheizten Demonstranten in der Südvorstadt umher. Flagge zeigen gegen einen Aufmarsch von Neonazis. Doch die Demos eskalierten. Es waren die bislang schwersten Krawalle zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt. Steine flogen, Wasserwerfer wurden eingesetzt, es gab zahllose Verletzte, allein mehr als 100 Polizisten. Die Justiz ermittelte gegen Hunderte Gewalttäter aus dem rechten und linken Lager. Auf den unkonventionellen Pfarrer aus Jena, so wird es seitdem kolportiert, habe sich die Justiz besonders eingeschossen. Im August 2011 wurden Königs Diensträume durchsucht und das mutmaßliche Tatmittel, der Lauti, beschlagnahmt. Ende 2011 wurde der Pfarrer wegen aufwieglerischen Landfriedensbruchs angeklagt. König habe zu Gewalt gegen Polizisten und dem Durchbrechen von Sperren aufgerufen, sogar Steineschmeißer vor der Polizei bewahren wollen.

Erst im Frühjahr 2013 begann der Prozess, über den bundesweit berichtet wurde. Er platzte, weil König mit eigenen Videos – gefilmt von einem Kameramann auf dem Lauti – belegte, dass zumindest ein Teil der Vorwürfe nicht zutraf. „Deckt die Bullen mit Steinen ein“, habe er nie gesagt, beteuert König, und regt sich noch heute darüber auf. „Ich bin nicht nach Dresden gekommen, um Sachen und Personen zu schädigen.“ Das Amtsgericht ließ dennoch weiterermitteln. Aus 200 Stunden Polizei-Videos vom 19. Februar wurden über 300. Nach anderthalb Jahren sollte der Prozess diesen Monat neu aufgerollt werden.

Am Montag dann die Überraschung: Auf Vorschlag von Königs Verteidiger stimmt die Staatsanwaltschaft der Einstellung des Verfahrens zu. Wegen der langen Dauer des Verfahrens und der geringen Schuld des Angeklagten – so die Staatsanwaltschaft. Weil König nach der langen Zeit des Streits einen Beitrag zum Rechtsfrieden leisten will – sagen seine Verteidiger Johannes Eisenberg und Lea Voigt. Es ist kein Freispruch aber auch keine Verurteilung. So richtig zufrieden kann niemand sein.

Eine teure Einstellung

Lothar König selbst, inzwischen hat er fertig getankt und sitzt wieder am Steuer, sagt: „Wenn wir bis zum letzten Blutstropfen auf unser Recht pochen, schlagen wir uns eines Tages noch tot.“ So weit müsse es ja nicht kommen. Er sei erleichtert, dass die Sache endlich erledigt sei. Er habe das Gefühl, nach der Wahl in Sachsen und der neuen Koalition sei die Bereitschaft der Justiz größer, Verfahren wie diese zu beenden.

König stimmte der Zahlung der Geldauflage von 3.000 Euro zu, je zur Hälfte an die Staatskasse und die Dresdner Kreuzkirchengemeinde, die ihm sehr geholfen habe. Es ist eine teure Einstellung. Während die Verfahrenskosten von der Staatskasse übernommen werden, muss König seine Auslagen selbst tragen. Das ist nicht wenig. Allein die Verteidigung schlage mit mehr als 60.000 Euro zu Buche, sagt er.

Mit seiner Zustimmung habe König eingeräumt, dass er nicht ganz unschuldig sei, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. So weit will der Pfarrer aber nicht gehen. Natürlich, sagt er, wäre ihm ein Freispruch lieber. Dann hätte aber noch ein Berufungsprozess gedroht. Irgendwann. Die Staatsanwaltschaft habe auch darauf bestanden, den Lauti – er ist seit der Razzia 2011 asserviert – „als Tatmittel“ einzuziehen. „Da konnte ich nicht mitmachen. Als Tatmittel – das wäre ein Schuldeingeständnis“, sagt König. Das Auto gehöre nicht ihm, die Kirche habe es finanziert. Es habe einiges an Mühe bedurft, der Justiz das noch auszureden. Die Staatsanwaltschaft müsse die Lauti-Frage nun mit der Kirche klären.

Das plötzliche Ende des Prozesses wirft Fragen auf. So wird man nun nie erfahren, wie viel Schuld König an jenem Tag im Februar 2011 tatsächlich auf sich geladen hat. Oder, andersherum, wie sauber Polizei und Justiz gegen den 60-Jährigen ermittelt haben. Die Einstellung jetzt, nachdem wieder anderthalb Jahre umsonst ermittelt wurde, wirft ein fahles Licht auf das Gericht.

Von Alexander Schneider