Karl Nolle, MdL
spiegel online, 21:30 Uhr:, 09.12.2014
CIA-Folter unter George W. Bush - Die furchtbaren Jahre
Eine Analyse von Sebastian Fischer, Washington
Es ist eine Abrechnung mit der CIA: Die "speziellen Verhörmethoden" des Geheimdienstes waren brutaler als angenommen - und haben kaum Erkenntnisse gebracht. Die wichtigsten Punkte aus dem Folterreport des US-Senats.
Es ist der letzte große Auftritt der Senatorin Dianne Feinstein in ihrer Rolle als Vorsitzender des Geheimdienstausschusses. Und es ist zweifellos ihr wichtigster. Als die Demokratin am Dienstagmittag vor ihre Kollegen im Senat tritt, hält sie einen Stapel von 525 eng bedruckten Seiten in die Höhe - den seit Monaten erwarteten CIA-Folterreport (offiziell: Commitee Study of the Central Intelligence Agency's Detention and Interrogation Program).
"Weit brutaler als angenommen" seien die Verhörmethoden von Terrorverdächtigen während der Amtszeit von George W. Bush gewesen, sagt Feinstein mit Blick auf Foltertechniken wie Waterboarding oder Schlafentzug. Und: "Zu keiner Zeit" hätten diese Methoden nützliche Erkenntnisse über eine konkrete Bedrohung erbracht.
Brutal und weitgehend nutzlos - das sind die zwei zentralen Schlussfolgerungen des Feinstein-Reports. Sie treffen die CIA ins Mark, sie erschüttern Amerika.
Über fünf Jahre haben demokratische Mitarbeiter von Feinsteins Ausschuss mehr als sechs Millionen Dokumente zusammengetragen, 40 Millionen Dollar für Recherchezwecke ausgegeben, schließlich knapp 6700 Seiten Geheimreport verfasst. Die nun veröffentlichten 525 Seiten stellen die Zusammenfassung dar, nach langem Streit zwischen Feinstein und CIA freigegeben, mit einigen geschwärzten Stellen. Die Republikaner im Geheimdienstausschuss hatten sich schon frühzeitig von dem Report distanziert und ihre Mitarbeiter abgezogen.
Einzelne Passagen des Reports sind drastisch - werden sie neue Gewalt in Nahost auslösen? Anschläge auf Amerikaner in der Region? Die Republikaner, aber auch Außenminister John Kerry hatten im Vorfeld gewarnt. Feinstein sagt, es gebe keinen "richtigen" Zeitpunkt für eine solche Veröffentlichung. Amerika müsse die furchtbare Wahrheit ertragen und dann sagen: "Nie wieder." Weil die Republikaner im neuen, Anfang Januar zusammentretenden Kongress die Mehrheit stellen, war das jetzt Feinsteins letzte Chance.
Dass die CIA gefoltert hat, ist zwar keine News. US-Präsident Barack Obama selbst hat das mehrfach so formuliert. Man wusste auch über die Methoden und die meisten der Gefolterten. Doch was den Folterreport einzigartig macht, das ist die Detaildichte, die Einordnung, die ausführliche Dokumentation der Vergehen. Es ist ein historisches Dokument.
Dies sind die entscheidenden Punkte (den Report gibt es hier als pdf-Dokument):
Die CIA hielt während der Bush-Jahre mindestens 119 Terrorverdächtige in sogenannten "Black Sites" in Ländern wie Afghanistan, Rumänien, Polen, Litauen und Thailand gefangen (die Namen der Staaten werden im Bericht nicht genannt). Der US-Auslandsgeheimdienst verlor offenbar immer wieder den Überblick über die genaue Anzahl seiner Gefangenen. Mindestens 26 seien fälschlicherweise festgehalten worden; 39 wurden besonderen Verhörmethoden unterzogen, also Folter.
Dazu zählen diese Methoden: Simuliertes Ertränken (Waterboarding); Schlafentzug bis zu 180 Stunden; gegen die Zellenwand schleudern; in eine Kiste sperren; rektale Einführung von Nahrung; in Eiswasser tauchen.
Anders als stets von CIA-Vertretern behauptet, scheint etwa die Methode des Waterboarding weit weniger harmlos. So sei der Qaida-Logistiker Abu Subeida insgesamt 83 Mal dieser Folter unterzogen worden und dabei zwischenzeitlich "komplett teilnahmslos" gewesen, Blasen seien aus seinem offenen, gefüllten Mund aufgestiegen, später wurde er wiederbelebt. Zudem hatte die CIA bisher behauptet, allein drei Gefangene seien dem simulierten Ertränken unterzogen worden - der Report geht von mehr aus.
Einige Quälereien waren nicht genehmigt, wurden offenbar ohne Wissen des CIA-Hauptquartiers von Mitarbeitern mit zweifelhaftem Ruf ausgeführt. Im Report wird das Geheimgefängnis "Cobalt" angeführt, offenbar eine "Black Site" in Afghanistan. Im November 2002 starb dort ein an den Boden geketteter Gefangener an Unterkühlung. Das Gefängnis wird als "Verlies" beschrieben, Häftlinge seien dort in vollständiger Dunkelheit gehalten oder mit lauter Musik gefoltert worden.
Nichtsdestotrotz hätten die Folterverhöre meist wertlose Informationen zutage gefördert, etwa bei der Jagd auf Terror-Anführer Osama bin Laden. Und sieben der 39 Gefangenen, die der Folter unterzogen wurden, lieferten keinerlei verwertbare Informationen; andere hätten sich unter dem Druck einfach etwas ausgedacht. Von den 20 am häufigsten von der CIA auf ihre speziellen Verhörmethoden zurückgeführten Anti-Terror-Erfolge, hat Feinsteins Untersuchungskomitee keinen einzigen bestätigen können.
Die CIA habe weder den Kongress, das Justizministerium, noch das Weiße Haus akkurat über ihre Methoden informiert.
Republikaner in Feinsteins Ausschuss haben einen Report mit abweichenden Meinungen veröffentlicht (finden Sie hier das entsprechende pdf-Dokument), ehemals hochrangige CIA-Beamte protestieren, der Bericht sei voller Fehler. So schrieb etwa Jose Rodriguez, ehemals Chef der Spionageabwehr und mit den Verhörmethoden befasst, in einem Gastbeitrag für die "Washington Post": "Die Kritik der Politiker am CIA-Programm ist große Heuchelei, denn nach 9/11 haben uns die Abgeordneten gedrängt, alles mögliche zu unternehmen, um eine weitere Attacke zu verhindern." Auch Ex-Präsident George W. Bush verteidigte die CIA.
Barack Obama hingegen erklärte, die im Senatsbericht beschriebenen Techniken seien "beunruhigend", das Programm habe nicht der nationalen Sicherheit gedient. Er werde alles tun, "dass wir nie mehr auf diese Methoden zurückgreifen."