Karl Nolle, MdL

spiegel online, 19:19 Uhr, 09.12.2014

Kommentar zu CIA-Folter - Amerikas Schande

 
Ein Kommentar von Markus Feldenkirchen, Washington

Der Senatsbericht über die CIA-Folter wirft Licht auf eine der dunkelsten Stunden der neueren amerikanischen Geschichte. Was er zum Vorschein bringt, ist eine Schande für die Vereinigten Staaten.

Der 6700 Seiten starke Bericht eines Untersuchungsausschusses über die "Verhörmethoden" der Ära nach dem 11. September 2001 beschreibt, wie ein Land sich und seinen Werten untreu werden konnte.

Er zeigt, wie brutal und gesetzlos CIA-Beamte vorgingen. Zu den Maßnahmen, mit denen sie Verdächtige zum Reden bringen wollten, gehören Waterboarding, also das angetäuschte Ertränken der Befragten, Schlafentzug (bis zu 180 Stunden), Auspeitschen, Einsargen, stundenlanges An-der-Wand-Stehen und weitere Maßnahmen aus dem Mittelalter.

Dass Amerikas Ansehen in der Welt heute auf einem historischen Tiefstand ist, ist nicht die Schuld "der Islamisten" oder "der Anti-Amerikanisten" in Europa oder anderen Teilen der Welt. Schuld ist vor allen anderen Amerika selbst. Es ist das Werk von Regierungsbehörden wie CIA und NSA, die Menschen folterten und ein Überwachungssystem errichteten, das einer freien Gesellschaft unwürdig ist. Ob sie dies im expliziten Auftrag der Regierung taten oder im Laufe der Jahre ein Eigenleben entwickelten und ihrer Regierung einzelne Vorfälle verschwiegen, ist dabei sekundär. Die geistigen Väter der Eskapaden waren Präsident George W. Bush und sein Vize Dick Cheney.

Es mag schlichteren Gemütern als Zumutung erscheinen, aber: ein Staat, der die Werte der Freiheit proklamiert und daraus für sich eine Führungsrolle in der Welt reklamiert, muss auch Verbrecher anders behandeln als Schurkenstaaten dies tun. Erst darin zeigt sich wahre Größe und Überlegenheit. Die USA haben dies nach dem 11. September 2001 vergessen.

Dieser Tag ist ein Fest für Russland, China und Iran

Alle Versuche der Rechtfertigung, etwa der Verweis auf die historische Ausnahmesituation, in der sich die Vereinigten Staaten nach dem Anschlag auf das World Trade Center befanden, sind falsch. Das Land mag noch so verletzt, schockiert, verängstigt gewesen sein - nichts rechtfertigt den Einsatz von Methoden, die von den Vereinten Nationen zu Recht geächtet werden.

Der Senatsbericht ist ein erster Schritt der Aufarbeitung jenes dunklen Kapitels. Nun müssen die richtigen Lehren gezogen werden, um sicherzustellen, dass sich Amerika nicht noch einmal - sei es aus Zorn, Rache oder Angst - so weit unter seine Würde begeben kann. Die Reaktionen von Bush und Cheney auf den Bericht, die die CIA pauschal in Schutz nahmen, zeigen, dass nicht alle Amerikaner dies begriffen haben.

Leider ist dieser Tag auch ein Fest für alle Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen zur Staatsräson gehören. Länder wie Russland, China oder Iran, die es satt haben, vom Westen über Menschenrechte und Demokratie belehrt zu werden. Sie werden diesen Report benutzen, um der Welt zu beweisen, dass es keinen Unterschied gibt zwischen ihren Regimen und der Führungsmacht des Westens.

Dabei gibt es eine gewaltige Differenz: Es ist der Report selbst. In all diesen Ländern ist es undenkbar, dass ein Ausschuss eines frei gewählten Parlaments die eigenen Verfehlungen untersucht und diese sogar veröffentlicht. Es ist dieser Umstand, der eine Demokratie, die sich verrannt hat und bereit ist, ihre Lehren zu ziehen, von unbelehrbaren Regimen unterscheidet. Hoffentlich.
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