Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 22.01.2015

"Wir sitzen nicht auf der Rückbank im Kindersitz von Schwarz-Rot"

 
Sachsens SPD-Fraktionschef Dirk Panter über die Rolle der Sozialdemokraten in der CDU/SPD-Koalition

Dresden. Der neue Chef der SPD-Fraktion im Landtag, Dirk Panter, will sich nicht vom großen Regierungspartner CDU unterbuttern lassen. "Wir sind nicht der kleine Koalitionspartner, sondern das Zünglein an der Waage", sagt er. Auch will er verhindern, dass das Parlament von der Regierung zur verlängerten Werkbank deklassiert wird.

Seit rund zwei Monaten sitzen Sachsens Sozialdemokraten wieder als Juniorpartner der CDU mit am Kabinettstisch. Haben jene Kritiker recht, die gesagt haben, die starke Union ziehe die kleine SPD am Ende doch nur über den Tisch?

Das ist keineswegs der Fall. Der Koalitionsvertrag zeigt das Gegenteil. Wir sind nicht der kleine Koalitionspartner, sondern das Zünglein an der Waage. Die CDU braucht uns und unsere zukunftsweisenden Konzepte. Das ist auch Regierungschef Stanislaw Tillich klar. Mit wem will er denn sonst koalieren?Etwa mit den Rechtspopulisten von der AfD, die gerade mit Pegida anbändeln?

Für eine Zwölf-Prozent-Partei wie die SPD klingt das aber reichlich forsch
 
Das ist nicht forsch, sondern eine Frage der Logik. Die FDP hat sich selbst überflüssig gemacht, und die Grünen haben abgesagt. Da bleiben faktisch nur wir. Wir sitzen also nicht auf der Rückbank im Kindersitz von Schwarz-Rot, sondern am Steuer. Und ein Navi brauchen wir auch nicht. Denn wir können ja Karten lesen, sprich: den Koalitionsvertrag. Es kann durchaus sein, dass das bei dem einen oder anderen Koalitionär noch nicht endgültig angekommen ist. Aber wir werden uns nicht kleinmachen oder gar unterbuttern lassen, sondern auf Augenhöhe mitregieren.

Beim Thema Winterabschiebestopp konnte man einen etwas anderen Eindruck bekommen. Während die Opposition vehement darauf drängt, ist CDU-Innenexperte Christian Hartmann strikt dagegen. Wo aber steht die SPD?

Das unabgestimmte Vorpreschen von Herrn Hartmann zeigt, dass noch nicht alle Christdemokraten verstanden haben, dass die Zeiten absoluter CDU-Mehrheiten in Sachsen vorbei sind. Persönlich bin ich für einen Winterabschiebestopp, aber in den Koalitionsvertrag konnten wir das nicht aufnehmen. Wir haben aber vereinbart, dass wir eine sensible Einzelfallprüfung vornehmen wollen. Dabei geht es darum, besondere Härten zu vermeiden, die durch den Winter bedingt sind. Das gilt zum Beispiel dann, wenn Familien mit kleinen Kindern abgeschoben werden sollen, die in ihren Heimatländern mitten im Winter noch nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben.

Zu Ihnen persönlich: Haben Sie Ihre neue Rolle als SPD-Fraktionschef bereits gefunden?

Ich bin dabei und habe ein gutes Gefühl. Wir waren inhaltlich und organisatorisch gut auf die Regierungsverantwortung vorbereitet. Jetzt geht es um die Feinabstimmung. Eins steht für mich aber schon jetzt fest: Ich möchte daran arbeiten, dass das Parlament als gesetzgebende Kraft wieder eine stärkere Rolle einnimmt. In Sachsen hatte man manchmal den Eindruck, dass die Regierung das Parlament als verlängerte Werkbank ansieht. Das zu verhindern ist auch eine Frage der politischen Kultur.

Mit diesem Anspruch sind aber schon andere gescheitert

Richtig, aber warten wir's ab. Ich jedenfalls halte es mit Peter Struck. Der hat mal den Satz geprägt: Kein Gesetz geht aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist. Dieser Satz ist seitdem als "Strucksches Gesetz" bekannt und steht für eine unmissverständliche Botschaft an die Regierung und deren Ministerialbürokratie: Der Landtag als gewählte Vertretung der Sächsinnen und Sachsen pocht auf sein verbrieftes Recht und wird sich nicht von der anderen Elbseite fernsteuern lassen. Bei den Haushaltsverhandlungen wird sich das schon ein erstes Mal zeigen.

Noch ein Wort zum entscheidenden Thema der vergangenen Wochen: Sind Sie bereit, mit Pegida zu reden?

Gegenfrage: Wer genau ist denn Pegida? Da muss man zwischen dem Organisationsteam, den mitlaufenden Rechtsextremen und vielen von der Politik enttäuschten Bürgerinnen und Bürgern unterscheiden. Nicht zuletzt aufgrund der Enthüllungen der letzten Tage schließe ich Gespräche mit der Pegidaführung aus. Reden wollen wir aber mit den Bürgerinnen und Bürgern, sowohl mit denen, die bei Pegida mitlaufen, als auch mit denen, die sich von Pegida bedroht fühlen. Für die Wut einiger Menschen über konkrete Missstände, wie zum Beispiel den Einwohnern von Perba, habe ich Verständnis. Auch hier sind wir offen für Gespräche. Übrigens waren und sind wir das auch schon immer, egal was uns unterstellt wird.
 
Interview: Jürgen Kochinke