Karl Nolle, MdL

welt.de, 04.02.2015

Janis Varoufakis: "Die Deutschen haben schon viel zu viel gezahlt"

 
Der griechische Finanzminister Varoufakis verspricht der Euro-Zone, sein Land aus der Krise zu führen. Er setzt dabei auf die Hilfe Deutschlands. Ihm schwebt ein sogenannter Merkel-Plan vor.

Der griechische Finanzminister Janis Varoufakis trifft am Mittwochmorgen in Frankfurt ein, um mit EZB-Präsident Mario Draghi zu sprechen

Der griechische Finanzminister Janis Varoufakis hat ein Ende der Schuldenpolitik in seinem Land versprochen. "Griechenland wird – abzüglich der Zinsausgaben – nie wieder ein Haushaltsdefizit vorlegen. Nie, nie, nie!", sagte er der "Zeit"

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Auch in Russland werde sein Land nicht um Gelder bitten. "Wir werden niemals in Moskau um Finanzhilfe nachsuchen", sagte er.

Varoufakis ist am Morgen in Deutschland eingetroffen

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und hat mit EZB-Präsident Mario Draghi gesprochen. "Wir hatten ein fruchtbares Gespräch", sagte er nach dem Treffen in Frankfurt. Das von seiner Regierung abgelehnte Sparprogramm für Griechenland habe eine deflationäre Krise in dem Land angeheizt. Er habe daher die Botschaft übermittelt, dass es nicht so weitergehen könne wir bisher. Am Donnerstag

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will Varoufakis mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zusammenkommen.

Im Interview mit der "Zeit" versicherte er, sein Land wolle Reformen umsetzen. Er habe die OECD gebeten, Griechenland zu helfen, "ein Reformprogramm zusammenzustellen". Deutschland müsse dabei verstehen, dass es keine Abkehr vom Reformkurs bedeute, "wenn wir einem Rentner, der von 300 Euro im Monat lebt, zusätzlich 300 Euro im Jahr geben", sagte er. "Wenn wir von Reformen sprechen, dann sollten wir über Kartelle reden, über reiche Griechen, die kaum Steuern bezahlen."

Der griechische Finanzminister prangerte ein "System der Vetternwirtschaft und Korruption" in seinem Land an. "Darum müssen wir uns kümmern", sagte er. "Stattdessen debattieren wir über Öffnungszeiten von Apotheken."

"Europa muss aus der Geschichte lernen"

Varoufakis kritisierte die bisherige Krisenpolitik in der Euro-Zone als falsch und warf der Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) vor, Griechenland ruiniert zu haben. "Diese Leute haben nicht etwa hoch bezahlte Berater entlassen, sondern Putzfrauen, die nachts die Räume und Toiletten gesäubert haben", sagte er der "Zeit".

Diese Entscheidung sei moralisch verwerflich. Er habe daher die Wiedereinstellung der Putzfrauen in seinem Ministerium angeordnet. Das Geld für deren Löhne werde er an anderer Stelle einsparen – "indem wir die Verträge der Berater nicht verlängern".

Zur deutschen Haltung, dass die Abmachungen aus dem Rettungspaket eingehalten werden müssten, sagte Varoufakis: "Wenn ich so etwas höre, denke ich manchmal, dass Europa aus der Geschichte nichts gelernt hat. Deutschland hat nach dem Ersten Weltkrieg den Vertrag von Versailles unterschrieben. Aber dieser Vertrag war schlecht. Europa wäre viel Leid erspart geblieben, wenn er gebrochen worden wäre."

Zinsen an Wirtschaftswachstum koppeln

John Maynard Keynes, der berühmte britische Ökonom, habe damals schon davor gewarnt, ein Land in den Ruin zu treiben. Die Euro-Zone habe einem überschuldeten Land weiter Kredite gegeben. "Das kann nicht funktionieren. Ich bin Finanzminister eines bankrotten Landes."

Varoufakis schlug vor, Griechenland mit den Augen eines Insolvenzverwalters zu betrachten. Als Alternative zu einem vor allem von Deutschland abgelehnten Schuldenschnitt schlug er vor, die Höhe der Zinszahlungen an das Wirtschaftswachstum zu koppeln. "Die Deutschen haben schon viel zu viel gezahlt", sagte Varoufakis. "Und sie werden noch mehr zahlen, wenn wir das Schuldenproblem nicht lösen."

Dem griechischen Finanzminister schwebt ein sogenannter Merkel-Plan vor, nach dem Vorbild des Marshallplans nach dem Zweiten Weltkrieg. "Deutschland würde seine Kraft nutzen, um Europa zu vereinigen", sagte er. "Das wäre ein wundervolles Vermächtnis der deutschen Bundeskanzlerin."