Karl Nolle, MdL
sueddeutsche.de, 9:28 Uhr, 17.03.2015
Umfragetief: Der SPD fehlen Kampfkraft und Glaubwürdigkeit
Gibt Sigmar Gabriel die Bundestagswahl 2017 schon jetzt für verloren? Mit unbedachten Äußerungen handelt der Parteichef grob fahrlässig und stürzt die SPD noch tiefer in die Krise.
Ein Videointerview mit Heribert Prantl
Der SPD-Chef Sigmar Gabriel gibt intern die Bundestagswahl 2017 intern angeblich bereits für verloren. Herr Prantl, sind solche Äußerungen aus dem Mund eines Parteichefs grob fahrlässig oder einfach nur realistisch?
Sie sind natürlich grob fahrlässig, sie sind fatal. Nun wird er behaupten, er hat das so nicht gesagt. Wenn ein Parteichef eine Wahl schon für verloren gibt, ist es furchtbar für die war sein Partei. Der Partei fehlt, das ist das Gefühl, was man hat, wenn man ihr Wirken erfolgt, ihr fehlt die Kampfkraft. Die Partei ist irgendwie auf der Flucht vor sich selber und manchmal schaut ihre Fährte aus wie die Fährte eines Hasen auf der Flucht, etwas was eigentlich zu dem Image von Gabriel gar nicht passt. Er gilt als Kämpfer aber es scheint mir so zu sein, daß sein Elan, seine Kampfkraft schon sehr gelitten hat in der Zeit der großen Koalition und er selber äußert sich einmal so einmal so, er ist nicht greifbar. Er ist als jemand, der Linien vorgibt nicht brauchbar. Nehmen Sie seine Position zu TITIP, nehmen sie seine Position zur Vorratsdatenspeicherung. Er ist mal hier und er ist mal dort. Er ist zwar vom Volumen her präsent, aber er ist nicht da.
Die Frauenquote, der Mindestlohn, die Mietpreisbremse - eigentlich hat die SPD doch einige Erfolge zu vermelden, wieso kann sie damit nicht bei ihren Wählern punkten?
Das ist ja das seltsame Dilemma der SPD, daß sie eigentlich mit der Agenda, die sie hat mit den Plänen, die sie im Koalitionsvertrag zu Grunde gelegt hat, sehr weit ist, sie setzt vielmehr durch als der Koalitionspartner die CDU und trotzdem ich denke, es lastet auf der SPD nach wie vor die Agenda, die ja wie eine Grabplatte seit vielen Jahren auf dieser SPD liegt und auch ein kraftvoller Mensch wie Sigmar Gabriel bekommt sie nicht richtig weg. Die SPD muss anschließen an die große Zeit, als sie Arbeitnehmervertreterin war. Das gelingt ihr nicht und das gelingt auch dem Wirtschaftsminister nicht. Es fehlt dieser SPD die Glaubwürdigkeit, es fehlt diesem Parteivorsitzenden die Glaubwürdigkeit. Das hat auch etwas mit seiner Wankelmütigkeit zu tun.
Was bedeutet denn das künftig für unsere Demokratie, wenn nur noch eine Partei ein Chancen auf einen Bundeskanzler hat?
Nun ja, es ist ja nicht so, daß die CDU den Erfolg gepachtet hätte. Sie hat ihn derzeit gepachtet, weil Angela Merkel, die Parteivorsitzende, in so gewaltigem Ruf beim Publikum steht. Das wird nicht ewig so sein, vor allem die SPD wird sich entscheiden müssen, will sie der kleinere Partner dieser CDU/CSU sein oder will sie ihre Koalitionsmöglichkeiten realisieren. Ist rot-rot-grün eine Option?
Ist es keine? Überlässt man die Koalition mit den Grünen der CDU/CSU? Überlässt man dies Angela Merkel nach der nächsten Bundestagswahl? Das sind die großen strategischen Fragen, die die SPD beantworten muss. Sie sollte vielleicht nicht auf aktuelle taktische Notwendigkeiten, vermeintliche, schauen, sondern danach streben, erkennbar zu sein als Partei, für die Zukunftsfragen, wieder greifbar, erkennbar zu sein für das Publikum. Darum geht es.